„Bis Donnerstag können wir einen Antrag schreiben…“ berichtete ich meinen Mitarbeitern stolz am Mittwochmorgen nach einer nächtlichen Fraktionssitzung im Jahr 1995. Parlamentserfahrener als ich fielen sie beinahe in Ohnmacht. Tatsächlich klappte das allein schon wegen der formalen fraktionsinternen und parlamentarischen Abläufe nicht, als MdB innerhalb eines Tages einen Antrag zustande und dann auch formal auf den Weg zu bringen.
Dennoch gingen wir an die Arbeit und wandten uns wegen des besagten Antrags gezielt an die damaligen Compuserve-Foren. Das Thema ist mir leider entfallen. Und vom Erfolg zu überrascht, waren wir auch nicht in der Lage, den Vorgang zu dokumentieren. Die Resonanz war, einfach überwältigend. Im wahrsten Sinne des Wortes hatten Menschen weltweit am Text unseres Antrags gearbeitet. Da war der deutsche Wissenschaftler in L.A. ebenso beteiligt wie ein Zivi in Moskau oder eine Angestellte einer deutschen Firma in Tokio.
Dieser Vorgang war letztlich der Auslöser für die nächtliche Idee, einen virtuellen Ortsverein zu gründen. Ziel war weniger der Wunsch nach regionalem Geplänkel, sondern die Vernetzung von „Szenen“. Oft genug gibt – und gab es – im „normalen“ Ortsverein thematisch versierte Fachleute, die sich „mangels Masse“ nicht unter ihresgleichen vor Ort innerhalb der Partei austauschen konnten. Insofern war die ursprüngliche Überlegung, diese Fachleute oder thematisch Interessierte in entsprechenden Foren des VOV zu vernetzen und sie nicht allein dem „kuscheligen“ klassischen Ortsverein zu überlassen.
Auch wenn dieser Ansatz dann letztendlich nicht umgesetzt werden konnte, war Bürgerbeteiligungund ist diese Idee für moderne Parteien – und letztlich auch die Parlamentsarbeit – aus heutiger Sicht und nach viel Ernüchterung immer noch bestechend. Voraussetzung wäre allerdings, dass Partei(en) und Abgeordnete diese Chance für die eigene Arbeit wahrnehmen und sie nutzen. Allerdings war – mit einigen Ausnahmen – das Gegenteil der Fall.
Die einen befürchteten eine zusätzliche Arbeitsbelastung für ihre ohnehin überlasteten Büros. Andere schoben demokratietheoretische Erwägungen vor. So wäre, bei Umsetzung der „virtuellen Idee“, die Mehrheit des Parteivolks und erst recht die Bevölkerung von der Meinungsbildung ausgeschlossen. Gerade so, als sei an einer nicht internetbasierten Meinungsbildung und Gesetzgebung die Mehrheit der Bevölkerung schon immer beteiligt gewesen.
Diese Argumente der Gegner der Netzpolitik dominieren auch heute, 20 Jahre (sic!) nach der Gründung des ersten virtuellen Ortsvereins, immer noch den politisch-parlamentarischen Alltag. Bis heute gibt es keinen einzigen Bundestagsausschuss, der eine virtuelle Bürgerbeteiligung jenseits klassischer Anhörungen auch nur ansatzweise in Erwägung zieht. Chaotische Debatten in Foren einerseits und gewichtige politische Bremsklötze andererseits verhinderten und verhindern so parteiübergreifend die Idee technisch gestützter und unterstützter Meinungsbildung sowie eine breitere systematische Politikbeteiligung via Internet. Und dies eben in Partei(en) wie in Fraktionen und Parlamenten.
Die Beschäftigung mit diesen häufig verbrämten Widerständen prägten damals auch die „Hauptarbeit“ des VOV. Nicht ein parteiinternes Lob für diese zukunftsgerichtete und moderne Idee prägte damals den Aufbruch in die digitale Zeit, sondern der schneidige Besuch des Justiziars der SPD. Er forderte, dem VOV die Berechtigung zu entziehen, sich „sozialdemokratisch“ zu nennen. Schließlich könnte da ja jeder kommen….
Neben solchen Kämpfen waren die Aktiven des VOV zudem gezwungen, sich in Ermangelung netzpolitischer Fachleute im Politikbetrieb den Experten im Netz zuzuwenden. Dies wiederum führte dazu, als „Freak“ für weiche Themen“ in eine entsprechend belächelte Ecke gestellt zu werden. Insbesondere da man mit kräftiger sozialdemokratischer Hilfe das gute alte Postministerium abgeschafft hatte. Dies musste nicht unbedingt betrauert werden.
Aber mit der Verlagerung jeglicher Telekommunikationspolitik auf die Wirtschaft und den Markt waren auch über Jahre die parlamentarischen und die damit verbundenen personellen Strukturen nebst Kompetenzen für diesen Themenbereich weggebrochen. Natürlich ging es dabei auch schlicht um Macht und dem Erhalt hierarchischer Strukturen im Politikbetrieb. Und um schlicht Angst vor dem Neuen. Die beharrliche Weigerung, sich mit diesem „Neuen“ auseinander zu setzen, führt bis heute zu seltsam anmutenden „Neuland“-Diskussionen.
Das Internet ist der natürliche Feind des damaligen wie des heutigen Politikbetriebes. Dies zeigen die immer wieder geführten Debatten um Kryptoregulierungen, um ein modernes Urheberrecht oder um die Vorratsdatenspeicherung. Argumente zählen im Politikbetrieb nicht. (Sie zählten auch vor dem Internetzeitalter nicht. Nur fiel das damals bestenfalls einer Minderheit thematisch interessierter Menschen auf). mit der Etablierung der „Sozialen Netzwerke“ werden politische Unzulänglichkeiten heute nicht nur schnell bekannt, sondern auch umfassend verbreitet.
Dies führte und führt dazu, dass sich die herrschende „Politikkaste“ immer weiter von der netzpolitisch fachkundigen Szene entfernt. Dramatischer Höhepunkt und Ausdruck dieser Entwicklung war zweifellos 2009 die Auseinandersetzung um die Sperrung von Internetinhalten im Zusammenhang mit dem Zugangserschwerungsgesetz (Stichwort „Zensursula“).
Dies war, trotz des vorübergehenden Erstarkens der Piraten, der zentrale Bruch einer kompletten internetaffinen Generation mit dem klassischen Partei- und Politikbetrieb. Dieser Bruch ist durch sinnfrei geführte Debatten zur Vorratsdatenspeicherung oder durch die erbärmliche Haltung in der Frage, Edward Snowden Asyl zu gewähren, eher weiter vertieft worden.
Aus diesem Grund war auch der VOV und die später daraus hervorgehende Netzpolitik nur begrenzt in der Lage, wenigstens einen Teil dieser netzaffinen Generation an die SPD zu binden. Mittlerweile haben sich viele der damals Aktiven enttäuscht abgewendet.
Sie waren es schlicht und einfach leid, nach dem euphorischen Beginn nur noch formale Kämpfe um Antragsrecht oder Inhalte mit einem Apparat zu führen, der sie ablehnte. Auch als die SPD, wie später alle Parteien, das Netz für sich als schmückendes Modernitätssignal entdeckte, blieb es letztlich dabei, das Internet als Verbreitungsplattform für Verlautbarungen an das staunende Volk zu benutzen.
„Ihr werdet nie virtuell plakatieren können!“ Dieser Einwand des SPD-Ehrenvorsitzenden Hans – Jochen Vogel brachte es Jahre später unfreiwillig komisch auf den Punkt: Die alte Plakatkleisterpartei war überzeugt, dass sie innerparteilich gesiegt hatte. Gegenüber dem Virtuellen Ortsverein und letztlich gegenüber moderner Netzpolitik. Es wird noch lange brauchen, bis sie begreift, dass das ein nur schwer zu korrigierender Fehler gewesen ist. Eine Änderung ist da noch lange nicht in Sicht.
Es hat etwas länger gedauert, bis ich für mich realisiert habe, dass der Virtuelle Ortsverein (VOV) niemals weder Antrags- noch Rederecht in der SPD erhalten würde. Denn offensichtlich hatte “der Club” die Machtfrage gestellt. Oder zumindest fühlte sich das sozialdemokratische „Imperium“ durch die virtuellen Netzwerker herausgefordert. Vielleicht war auch die Art und Weise, wie die digitalen „Jedi-Ritter“ Netzpolitik machten, der „alten Tante SPD“ zu modern oder einfach nur fremd? Oder war der VOV nur ein Experiment, das sich für beide Seiten rückblickend als großes Missverständnis herausgestellt hat? Um all´ diese Fragen umfassend beantworten zu können, vorab einige Fakten. Bevor man die Ereignisse bewertet, um für eine zukünftige Netzpolitik in der SPD noch einmal neu die Weichen zu stellen.
Um verständlich zu machen, vor welchen Hürden der Virtuelle Ortsverein stand, ein kleiner Exkurs ins Organisationsstatut der SPD. Denn die Mehrzahl der Netzpolitiker, die sich dafür interessieren, sind vermutlich eher im Umgang mit imperialen Sturmtruppen vertraut. Und weniger mit einer Sozialdemokratie unter Führung von Gerhard Schröder, Franz Müntefering und Oskar Lafontaine.
Die Keimzelle der Sozialdemokratie ist der sogenannte Ortsverein. Davon gab es Mitte der 1990er-Jahre ungefähr 12.500 in Deutschland. Sie organisieren die politische Willensbildung „von der Basis nach oben“. Über Ortsvereine, Unterbezirke, Bezirke und Landesverbände bis zum Parteivorstand, dem „PV“, werden Beschlüsse nach Berlin durchgereicht. Dieser Prozess soll die demokratische Teilhabe aller Parteimitglieder an der Willensbildung sicherstellen. Was der SPD anlässlich der Mitgliederbefragung 2013 viel Aufmerksamkeit gebracht hat.
Für besondere Aufgaben können innerparteilich Arbeitsgemeinschaften und/oder Projektgruppen gebildet werden, die bei Parteitagen Antrags- und Rederecht haben. Der Virtuelle Ortsverein der SPD, kurz VOV, war 1997 jedoch „nur“ als Arbeitskreis gegründet worden. Was für die Umsetzung von virtueller in reale Politik Konsequenzen hatte. Aber, um beim „Krieg der Sterne“ zu bleiben, dort landen Han Solo, Chewbacca, Luke Skywalker und Prinzessin Leia nach ersten Scharmützeln auf dem Todesstern auch erstmal im Müllschlucker.
Ich hätte dieses Kapitel auch locker mit „Der lange Atem von Bundesgeschäftsführern“ überschreiben können. Um mich dann wieder der Frage zuzuwenden, warum die SPD von Gabriel & Nahles, trotz vieler guter Gesetze, in Umfragen wie festbetoniert um 25 Prozent dümpelt.
Doch je länger ich nach einem Treffen mit Aleksandra Sowa die Mails und Briefe zum VOV durchforst habe, umso klarer schob sich dieser eine Satz „… das Internet für die politische Arbeit der SPD erforschen“ wieder nach vorne. Was immer noch mit dem Gefühl einer Mission verbunden ist.
Der damalige Usenet-Beauftragte und Repräsentant des VOV, Boris Piwinger, hatte genau diesen Satz in die „Geburtsurkunde“ des Virtuellen Ortsvereins hinein formuliert. Und Franz Müntefering, damals noch in seiner Funktion als Bundesgeschäftsführer in Bonn in der Baracke tätig, hatte die Vereinbarung für die SPD am 27. Januar 1997 unterschrieben.
Rückblickend ist der VOV in der mehr als 150-jährigen Geschichte der SPD seit ihrer Gründung durch Ferdinand Lasalle sicher nur eine kurze Episode. Eine Partei, die es immer wieder schafft, mutig zwei Schritte nach vorn zu gehen. Um dann erschrocken über so viel Courage heftigst zurückzurudern. Aber vielleicht ist es ja genau diese besondere DNA, die meine Partei für die Wählerinnen und Wähler interessant macht? Und die Bevölkerung direkt nach dem Wahltag in tiefer Ratlosigkeit über das anschließende Vorgehen zurücklässt.
Zurück in die Zukunft
Über die Zukunft des Virtuellen Ortsvereins wollte ich fünf Jahre später, am 2. Juni 2002, mit Franz Müntefering sprechen. Da ich von 1999 bis 2002 Referentin für elektronische Medien im Willy-Brandt-Haus gewesen war und für spd.de seine „General-Chats“ organisiert hatte, kannten wir uns. Doch da Gerhard Schröder im Sommer 2002 in allen Umfragen deutlich hinter Edmund Stoiber lag, bat mich Kajo Wasserhövel, der damalige Büroleiter von „Münte“, einen Termin nach der Bundestagswahl im September zu vereinbaren.
Der VOV war 1995 von einer Handvoll junger, engagierter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf dem Parteitag gegründet worden, der als „Putsch von Mannheim“ in die Geschichte der SPD eingehen sollte. Im Januar 1997 folgte dann die formale Anerkennung als „Arbeitskreis von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Internet“ in Bonn. Im gleichen Jahr übrigens, als die SPD den Leitantrag „Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft“ in Hannover verabschiedete.
Der VOV, so unser Flugblatt von 1996, sei ein Zusammenschluss von Menschen, die „der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands angehören oder nahestehen“ und ausschließlich über das Internet zusammenkommen. Als nicht eingetragener Verein sollte sich der Arbeitskreis selbst organisieren und nur mithilfe „elektronischer Postverteiler“ bzw. öffentlich in Diskussionsforen, den sogenannten Newsgroups, miteinander kommunizieren. Die politischen Diskussionen sollten sich schwerpunktmäßig „mit rechnergestützter Kommunikation und der Entwicklung der Informationsgesellschaft“ beschäftigen. Andere Themen wären jedoch nicht ausgeschlossen. Das klang damals alles sehr modern und innovativ. Und deshalb wurde ich Mitglied im Club.
Die Möglichkeiten des Internets für die politische Arbeit der SPD erforschen
Wer sich heute per Smartphone durchs Netz oder die „Sozialen Medien“ navigiert, dem zaubern Begriffe wie „elektronische Postverteiler“ oder „Newsgroups“ vermutlich ein fragendes Grinsen auf die Stirn. Doch was im Jahr 2015 rückblickend nach tiefster digitaler Steinzeit klingt, war vor weniger als zwanzig Jahren der virtuellen Avantgarde in Deutschland vorbehalten.
Damals gab es weder Google noch Facebook oder geschweige denn Amazon. Dafür aber grässlich fiepende Modems des Staatsunternehmens „Deutsche Bundespost“, mit denen man sich auf die „Datenautobahn“ einwählen konnte.
Und es gab Helmut Kohl, der 1994 die Zuständigkeit für den Ausbau der „Informations-Highways“ bei den Verkehrsministern der Länder verortete.
Was uns damals im VOV einte, war so etwas wie ein unfassbar cooles Lebensgefühl.
Wir spürten, dass diese digitale Revolution unseren Alltag umkrempeln würde. Und natürlich wollten wir bei diesem Prozess aktiv mitmischen. Weil uns interessierte, wie sich die Menschen, die mit dieser neuen Technologie umgingen, veränderten und welche Auswirkungen das Internet auf unsere Gesellschaft insgesamt haben würde.
„91 Prozent Männer können nicht irren.“
1997 hatten gerade einmal 6,5 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland Zugang zum Internet. Soziodemografisch betrachtet war die große Mehrheit der 4,11 Millionen Nutzern männlich, berufstätig, mit überdurchschnittlichem Ausbildungsniveau und zwischen 20 und 39 Jahren alt. Auf drei männliche Onlineanwender kam damals eine Anwenderin. Was nicht für den VOV galt, dort pendelte die Frauenquote konstant um zehn Prozent.
1997 bin ich übrigens von einem Journalisten gefragt worden, warum sich der VOV ausgerechnet eine Frau als Vorsitzende gewählt habe. „91 Prozent Männer können sich nicht irren“, habe ich ihm mit einem netten Smiley zurückgeschrieben.
Der Weg ins Internet war 1997, wenn man nicht gerade studierte, den „Besserverdienern“ vorbehalten. Denn ein PC der Pentiumklasse mit 486er-Prozessor kostete je nach Zusatzausstattung (Grafikkarte, Soundkarte etc.) damals zwischen 3.000 und 5.000 D-Mark. Und der Versand einer einzigen E-Mail – Flatrates gab es ja noch nicht – zehn Pfennig. Wobei der Versand von Fotos und Videos ein so geballtes Datenvolumen erzeugte, dass solch unangekündigte Post die Sprengkraft einer „Mailbombe“ aufs hauseigene Modem entfaltete.
Die digitale Avantgarde der SPD
In dieser „digitalen Jungsteinzeit“ sollte also der Virtuelle Ortsverein die neue Form der elektronischen Kommunikation für die Partei erproben und seine Selbstorganisation in Wahlen und Abstimmungen weiterentwickeln. Und das so gewonnene Know-how den Parteigliederungen selbstverständlich unentgeltlich zur Verfügung stellen. Außerdem sollte der Club die Darstellung der SPD im Internet optimieren. Was einfacher klingt, als es de facto war. Besonders wenn man wie ich keinerlei Erfahrung im Umgang mit „Trollen“ hatte.
In weit über 30.000 Mails haben die Mitglieder des Virtuellen Ortsvereins von 1997 bis 2002 über einen Server, den der damalige Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss finanzierte, über SPD-Politik im Allgemeinen und die Entwicklung der Informationsgesellschaft im Besonderen diskutiert. Die virtuelle Konferenz des VOV tagte rund um die Uhr, einer war immer zum Chatten online, und das sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr. Was sich deutlich vom Parteileben der realen Ortsvereine unterschied, wo sich die Mitglieder meist nur einmal im Monat in der Regel abends zur innerparteilichen Willensbildung zusammenfanden.
24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr Mitgliederversammlung
Das „Rund-um-die-Uhr-Mitmachangebot“ des VOV entpuppte sich schnell als innerparteiliche „Marktlücke“ und führte zu einem stürmischen Mitgliederzuwachs von 1997 (300 Mitglieder) bis 2002 (über 1.000 Mitglieder). Hatte das Durchschnittsalter 1997 noch bei 34 Jahren gelegen, so war es bis 2002 auf 39 Jahre angestiegen. 85 Prozent der Virtuellen besaß auch im realen Leben ein SPD-Parteibuch. Und fünf Prozent der VOV-Mitglieder lebte, zumeist beruflich bedingt, außerhalb der Bundesrepublik Deutschland.
Das exponentielle Wachstum des Clubs konnte allerdings nicht den gravierenden Webfehler in der innerparteilichen Demokratie übertünchen. Denn alle Anträge im VOV, waren sie auch noch so gut durchdacht, begründet und basisdemokratisch beschlossen – zum Recht auf Information, zum Datenschutz, Domaingrabbing und Identitätsdiebstahl, zur Zukunft der Internetregulierung, zu Softwarepatenten oder zur Vorratsdatenspeicherung –, sie alle krankten an politischer Folgenlosigkeit.
Denn das Organisationsstatut der SPD ließ nur Anträge auf Parteitagen zu, die von realen Ortsvereinen, Arbeitsgemeinschaften und Projektgruppen verabschiedet worden waren. Und da der VOV „nur“ ein Arbeitskreis war, hatten die Beschlüsse den Status einer digitalen Luftnummer. „Aber gut, dass wir zumindest drüber geredet haben“, schrieb mir damals ein Mitglied.
Das Recht auf Information
1998 sprach sich der VOV auf Initiative des früheren Vorsitzenden Heino Prinz für ein „Recht auf Information“ aus. Denn Demokratie, so unser Gedanke, setze gut informierte Bürgerinnen und Bürger voraus. Da die in öffentlichen Verwaltungen zunehmend digital erhobenen Daten durch automatisierte Verfahren miteinander verknüpft wurden, befürchteten wir eine wachsende Informationsungleichheit zwischen Behörden und Bürgern. Informationen öffentlicher Verwaltungen, so unsere Forderung, sollten deshalb allgemein zugänglich gemacht und Ausnahmen in einem Bundesgesetz geregelt werden.
In Anlehnung an die Empfehlung des Europarats zu Informationszugangsrechten von 1981 forderten wir die rot-grüne Bundesregierung auf, eine entsprechende Harmonisierung auf europäischer Ebene anzustreben. Politisch sollte unsere Forderung im SPD-Regierungsprogramm 2002 im Kapitel „Verwaltung geht online“ Eingang finden. Doch die Antragsprüfungskommission des Parteivorstandes lehnte den Beschluss kurz und knapp mit der Begründung „Der VOV ist nicht antragsberechtigt“ ab.
„Gut, dass wir drüber geredet haben.“
Was natürlich zu Unmut im VOV führte. Und der Entscheidung, uns nicht mehr mit sachlich richtigen, aber in der Partei folgenlosen Schaufensteranträgen begnügen zu wollen.
Die Virtuelle Konferenz beschloss, um die Anerkennung als Projektgruppe, der das Antrags- und Rederecht auf Parteitagen zusteht, zu kämpfen. Denn wir wollten unsere umfangreichen und praxisnahen Erfahrungen mit dem virtuellen Raum und unsere digitale Kompetenz in reale Politik umgesetzt sehen. Und da führt nun mal in der Sozialdemokratie kein Weg am Antragsrecht vorbei.
Vielleicht waren wir im Frühjahr 2002 – Axel Schudak und ich waren gerade wieder als Vorsitzende gewählt worden – auch zu optimistisch? Oder zu naiv? Aber was sollte einer Anerkennung als Projektgruppe mit Sonderstatus – begründet durch ihre digitale Arbeitsform – prinzipiell im Wege stehen? Um den Anforderungen des Parteiengesetzes zu genügen, war der VOV bereit, seine Richtlinien ans Parteiengesetz anzupassen.
Nichtparteimitglieder an der Meinungs- und Willensbildung beteiligen
Faktisch standen wir natürlich vor einigen Hürden. Denn im Gegensatz zu realen Parteigliederungen konnten sich im VOV immer auch Nichtmitglieder an der Meinungs- und Willensbildung beteiligen. Diese Öffnung ins reale Leben der Arbeiterklasse hatte sich als ausgesprochen fruchtbar erwiesen.
Der VOV profitierte von der Kompetenz von IT-Beschäftigten, die übrigens aufgrund ihrer realen Arbeitszeiten kaum den Weg in eine Mitgliederversammlung der SPD gefunden hätten. „Verabschiedet euch doch bitte mal von der Idee, dass jeder, der 1998 SPD gewählt hat, auch Mitglied in eurer Partei werden will“, schrieb mir ein VOV-ler. Als ich entgegnete, dass die SPD auf Mitgliedsbeiträge zur Finanzierung ihrer politischen Arbeit angewiesen sei, weil wir erheblich weniger Spenden als CDU und FDP erhalten, erntete ich meistens nur Achselzucken oder beredtes Schweigen.
Das „sozialdemokratische Wirtstier“ aufgeben
Es gab schon einen Weg, unsere Anträge bis zum Bundesparteitag durchzubringen. Doch dazu mussten wir immer eine Art „sozialdemokratisches Wirtstier“ anzapfen. Also einen mit unseren Beschlüssen sympathisierenden Ortsverein, dessen Delegierte die Anträge des VOV über Mitgliederversammlung, Bezirks- oder Landesparteitag bis zum Bundesparteitag durchboxten. Dieses Verfahren empfand die Mehrheit im VOV nach sieben Jahren „Probezeit“ jedoch der Demokratie unwürdig. Wir wollten eigenverantwortlich an der politischen Willensbildung in unserer Partei mitwirken. Und nicht nur den Exotenstatus genießen, mit dem sich der PV öffentlich in Broschüren schmückte („Die SPD ist die erste Partei in Deutschland, die einen virtuellen Ortsverein gegründet hat“) und ansonsten für Wahlen nur hübsche, günstige und bunt blinkende Banner produzieren sollte.
Virtueller Ortsverein – lebendige Streitkultur
Auch wenn wir nur virtuell untereinander agierten, eine lebhafte Streitkultur – wie sie in den 1970er-Jahren unter Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner üblich gewesen war – wurde natürlich auch im VOV gepflegt. Man(n) – oder Frau – wird ja nicht unpolitisch, wenn man nur schreibt.
Doch die Parteifunktionäre, die zwischen 2002 und 2007 zu entscheiden hatten, ob der Virtuelle Ortsverein an der innerparteilichen Willensbildung der SPD beteiligt wird oder nicht, hatten Probleme mit ihren digitalen Genossinnen und Genossen, die sich nicht an die eingeübte Rechts-Links-Netzwerk-Arithmetik der Partei halten wollten. Und offensichtlich damit drohten, den ihnen zugewiesenen „virtuellen Sandkasten“ verlassen zu wollen, um mitzumischen.
Wer heute in Facebook (2004 gegründet) oder auf Twitter (2006 gegründet) unterwegs ist, hat in der Regel bereits einen „Shitstorm“ erlebt. Oder überlebt. Oder auch nicht. Auch im VOV zählten digitale Rempeleien und „flame wars“ zum gepflegten Umgang auf den Mailinglisten. Unliebsamer Zeitgenossen oder „Trolls“ entledigte man sich dann meistens per „Kill-File“. Oder zoffte fröhlich mit, um Frust über die Politik von Gerhard Schröder und Joschka Fischer loszuwerden.
Kern unserer Demokratie ist der Meinungsbildungsprozess
Gründe für digitale Scharmützel gab es unter Rot-Grün ja mehr als genug. Denn plötzlich standen Themen wie Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts, Green-Card-Initiative, ökologische Steuerreform, Rentenreform, Atomausstieg, Entschädigung der Zwangsarbeiter, Anerkennung von Lebenspartnerschaften, Schulen ans Netz, Haushaltskonsolidierung, BSE-Kühe, Umgang mit Asylbewerbern, Kosovo-Krieg und die CDU-Spendenaffäre auf der Agenda. Fulminant waren auch die Debatten im VOV, als Oskar Lafontaine im März 1999 den SPD-Parteivorsitz hinwarf und fürs Fernsehen am heimischen Gartenzaun mit Kind in Entenpantöffelchen posierte. Aber: Zum Kern unserer Demokratie gehört nun mal der Meinungsbildungsprozess, auch wenn der nicht immer in harmonisch „ausgemerkelten“ Bahnen verläuft.
Je nach Empfinden und innerparteilicher Lagerzugehörigkeit wurde der Regierungsstil von Schröder auch im VOV als pragmatisch, populistisch, sachorientiert oder visionslos abgestempelt. An diesem Punkt unterschied sich der virtuelle Ortsverein in keiner Weise von allen realen Ortsvereinen.
Nur dass es im VOV immer schneller mit der Meinungsbildung zur Sache ging. 100 bis 200 Mails binnen 24 Stunden zu einem politisch explosiven Gemisch zu verdichten, bereiteten dem Club null Probleme. Wobei ich in den insgesamt zehn Jahren als Vorsitzende die Erfahrung gemacht habe, dass Ironie sich leider nicht wirklich per Mail vermitteln lässt. Und dass das Fehlen nonverbaler Kommunikation kaum durch noch so nett gemeinte Emoticons kompensiert werden kann.
Weichenstellung in Bochum 2003
Aus dem von Kajo Wasserhövel im Juni 2002 in Aussicht gestellten Termin mit Münte wurde dann leider nichts. Denn nach der Bundestagswahl im September wechselte die Parteiführung Generalsekretär und Bundesgeschäftsführer. Und statt Franz Müntefering und Matthias Machnig waren nun Olaf Scholz und Franz-Josef Lerch-Mense meine Ansprechpartner im Willy-Brandt-Haus. Und da in Hessen und Niedersachsen Landtagswahlen anstanden – die die SPD übrigens beide verlor – und Gerhard Schröder im März 2003 mit seiner „Agenda 2010“ auf die politische Bühne preschte, bekamen Iliya und ich erst am 7. April 2003 einen Termin im Willy-Brandt-Haus in Berlin.
Ein Antragsrecht, das sich nur auf die Kernthemen des VOV beschränke, war laut Bundesgeschäftsführer weder mit dem Organisationsstatut der SPD noch mit dem Parteiengesetz in Deutschland vereinbar. Ein allgemeines Antragsrecht zu allen politischen Themen empfand der PV dagegen als zu weitgehend. Aber, so Lerch-Mense, der VOV könne seine Anträge zur IT-Gesetzgebung und zur Informationsgesellschaft gerne direkt an das Büro des Bundesgeschäftsführers leiten, damit der Parteivorstand Einblick in die inhaltliche Arbeit des Arbeitskreises erhalte. Außerdem würde man den VOV und seine digitale Kompetenz beratend für IT-Anträge anderer Gruppierungen hinzuziehen.
Die Virtuelle Konferenz hat diese Vorschläge lange diskutiert. Und sich mit überwältigender Mehrheit dafür entschieden, die Frage „Antragsrecht ja oder nein“ von den Delegierten des Bundesparteitags in Bochum entscheiden zu lassen. Unser Ziel war die rechtsverbindliche Anerkennung mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten für den Club. Und nicht eine, wenn auch sicher gut gemeinte, unverbindliche Abhängigkeit von wechselnden Funktionären in der Parteizentrale.
Das bedeutete, dass wir für unsere Pläne nach einem „sozialdemokratischen Wirtstier“ Ausschau halten mussten. Der Frankfurter Ortsverein Sachsenhausen-Ost brachte unseren Antrag „Anerkennung des VOV (Virtueller Ortsverein) als Projektgruppe“ zum Bundesparteitag in Bochum ein.
Und der SPD-Bezirksgeschäftsführer von Hessen-Süd, Karlheinz Pfaff, und Dr. Matthias Kollatz-Ahnen, heute Finanzsenator in Berlin, sorgten dafür, dass der A 264 „VOV (Virtueller Ortsverein) als Projektgruppe“ die Klippen in der Antragsprüfungskommission (APK) überwand. Der Parteivorstand solle, so verzeichnete es das Sitzungsprotokoll, das Anliegen „wohlwollend“ prüfen.
Am 19. November 2003 war es endlich so weit. Die 450 Delegierten des Bochumer Parteitags stimmten dafür, den Status des VOV von einem Arbeitskreis in eine Projektgruppe, „dem das Antrags- und Rederecht für Bundesparteitage zusteht“, umzuwandeln. Damit hatten wir die wichtigste innerparteiliche Hürde genommen. Dachten wir auf der Party in Bochum. Und machten uns so ausgelassen wie Han Solo, Chewbacca und die Droiden auf den Weg nach Alderaan.
Einen Schritt vor, zwei Schritte zurück
Wer „Krieg der Sterne“ gesehen hat, weiß, wie ungemütlich es plötzlich zwischen herumfliegenden Asteroiden werden kann. Keiner von uns ahnte zu diesem Zeitpunkt, zu welchen innerparteilichen Verwerfungen die „Agenda 2010“ führen würde. Im März 2004 warf Gerhard Schröder entnervt das Handtuch als Parteichef. Und Franz Müntefering kehrte als Parteivorsitzender ins Willy-Brandt-Haus zurück. Kajo Wasserhövel löste Franz-Josef Lersch-Mense als Bundesgeschäftsführer ab. Und vereinbarte umgehend mit Sascha Boerger und Iliya Nickelt, dass der VOV seine Richtlinien ans Organisationsstatut der Partei anpassen sollte. Was Sascha prompt erledigte.
Am 8. Dezember 2004 beriet die Kommission für Organisationspolitik den Antrag 264 und empfahl dem Parteivorstand die Umwandlung des VOV vom Arbeitskreis in eine Projektgruppe. Anfang 2005 sollte der PV dem Vorschlag routinemäßig zustimmen. „Reine Formsache“ beschied man uns. Doch dazu kam es nicht. Was nicht am VOV lag, sondern an den durch die „Agenda 2010“ heraufbeschworenen Turbulenzen.
Im März 2005 erhielt zunächst Heide Simonis (SPD) in Schleswig-Holstein trotz vier geheimer Wahlgänge keine Mehrheit mehr als Ministerpräsidentin. Und am 22. Mai 2005 verlor Peer Steinbrück als Spitzenkandidat die Landtagswahl in NRW.
Schröder sah seine Reformpolitik beschädigt und forderte umgehend Neuwahlen. Darauf erklärte Oskar Lafontaine seinen Austritt aus der SPD, um als Spitzenkandidat von WASG und PDS bei der vorgezogenen Bundestagswahl anzutreten.
„Das Internet ist für uns alle Neuland.“
Auch Angela Merkel (CDU) kündigte einen „engagierten und beherzten Wahlkampf“ an. Und seit dem 18. September 2005 wird Deutschland von einer Kanzlerin regiert, für die das Internet noch im Jahr 2013 „Neuland“ war.
Das Jahr 2005 endete übrigens dann auch in der SPD mit Neuwahlen. Denn Müntefering hatte Kajo Wasserhövel für die Position als Generalsekretär vorgeschlagen, doch der Parteivorstand entschied sich mit 23 zu 14 Stimmen für Andrea Nahles. Darauf erklärte der Parteichef, dass er beim anstehenden Bundesparteitag nicht mehr kandidiere. Auf Münte folgte Matthias Platzeck, damals Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Und Hubertus Heil wurde Generalsekretär. Und Martin Gorholt „mein“ vierter Bundesgeschäftsführer, den ich über die Ziele des VOV „aufklären“ sollte.
EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung abgelehnt
Bereits im Sommer 2005 hatten die EU-Innen- und -Justizminister erklärt, dass sie alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die beim Telefonieren, Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder File-Sharing anfallen würden, für mindestens sechs Monate verpflichten wollten. Das ging weit über die damals in Deutschland geltende Speicherfrist von 80 Tagen hinaus. Der VOV sah darin einen Großangriff auf die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger und forderte einen Datenschutz, der die „Balance der Grundrechte“ wahrt. Eine Pflicht zur verdachtsunabhängigen Speicherung von Verbindungsdaten für die Zwecke der Strafverfolgung gab es damals ja noch nicht. Denn Bundestag und Bundesrat hatten noch 2004 die Einführung der Vorratsdatenspeicherung im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes abgelehnt.
Ein Datenvolumen von 639.360 CDs pro Tag am DE-CIX
Allein am DE-CIX, dem deutschen Internetknoten in Frankfurt, war im Sommer 2005 ein Datenumsatz von 40 Gigabit pro Sekunde gemessen worden. Umgerechnet entspricht das 639.360 CDs am Tag. Oder, falls man das Datenvolumen auf DIN-A4-Seiten ausdrucken möchte, zirka 81 Millionen gefüllte Aktenordner.
Einen so gigantischen digitalen Heuhaufen nach terroristischen Stecknadeln zu durchforsten, erschien mir damals als echte Herausforderung. Wobei man diese Frage seit den Enthüllungen von Edward Snowden, in welchem Umfang der US-Geheimdienst das Internet heute global und verdachtsunabhängig überwacht, sicher neu bewerten muss.
Für unsere Positionen zur Vorratsdatenspeicherung, zum Datenschutz oder zum Identitätsdiebstahl – ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits juristische Erfahrung mit dem „3-2-1- und doch nicht meins“ bei eBay – interessierte sich die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Gemeinsam mit Jens Hoffmann, Andreas Bieber und Helmut Pohl trafen wir uns am 14. September 2005 in Darmstadt. In der Frage der Vorratsdatenspeicherung hielt sie die „Deutsche Liste“ – sechs Monate Speicherung von Verbindungsdaten, keine Speicherung der Inhalte – für ausreichend. Doch seit den Terroranschlägen auf das World Trade Center drängte Bundesinnenminister Schily, dass alle Provider in Deutschland ihre Verbindungsdaten für mindestens ein Jahr aufbewahren sollten.
Reale und virtuelle Ordnungsmaßnahmen
Im Mai 2005 hatte Sascha Boerger auf Wunsch des SPD-Justiziars bereits zum zweiten Mal die Richtlinien des VOV überarbeitet. Strittig war das Kapitel „Ordnungsmaßnahmen“. Fakt war, wenn jemand im Virtuellen Ortsverein zu arg „trollte“, konnte er die Schreibrechte durch die Moderation entzogen bekommen. Diese „Sanktionsmaßnahme“ wäre nach der Anerkennung als Projektgruppe ausgeschlossen. „Spezifische Ordnungsmaßnahmen oder Entscheidungsgremien über Ordnungsmaßnahmen außerhalb der Parteigerichtsbarkeit“ werde die Partei nicht zustimmen, teilten uns die Juristen mit. Der PV „dulde keine Nebenpartei“ in der SPD. Nur, logisch zu Ende gedacht, wie sollte der VOV, wo ausschließlich schriftlich über Mailinglisten miteinander kommuniziert wurde, damit umgehen? In jedem Ortsverein kann das Rederecht entzogen werden. Im VOV waren das analog die Schreibrechte. Wobei wir erlebt hatten, dass der Entzug der Schreibrechte durch gefälschte Identitäten umgangen werden konnte. Aber um diesen Punkt einvernehmlich zu regeln, bat Sascha den Justiziar „höflichst um alternative Formulierungen“.
Im November 2005 teilte uns die Antragsprüfungskommission mit, dass der Parteivorstand zugesagt habe, den Bochumer Antrag „in Kürze“ zu behandeln. Wenige Tage später erhielt Sascha weitere Vorgaben von den Juristen. Erstens: Der VOV solle sein Wahlverfahren exakt in der Satzung regeln. Okay, abgehakt. Zweitens: Spenden seien zukünftig an die Partei zu leisten, die diese dann als Zuschüsse an den VOV abführen würde. Auch ein Haken dran. Und drittens: VOV-Mitglieder, die nicht der SPD angehörten, würden bei Parteiordnungsverfahren nicht der Entscheidungskompetenz einer SPD-Schiedskommission unterliegen. Für diese Fälle würde es „ausreichen, wenn der Vorstand eine Ordnungsmaßnahme beschließt und das Mitglied sich dann beschwerdeführend an die virtuelle Konferenz wende“. Auch dem Punkt stimmte die Virtuelle Konferenz zu.
Gehe nicht über Ziel – ziehe eine Ereigniskarte
Im Frühjahr 2006 sollte es also so weit sein. Doch Matthias Platzeck erkrankte und gab den Parteivorsitz auf. Ihm folgte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, der die SPD öffentlich als „moderne Mitgliederpartei“ pries, da bereits über 50 Prozent der Neumitglieder online eintreten würden. Formal zuständig für den VOV wurde der stellvertretende Parteivorsitzende Jens Bullerjahn, heute Finanzminister in Sachsen-Anhalt, der für den Bereich „Parteiorganisation“ verantwortlich zeichnete. Sascha berichtete nach einem weiteren Gespräch im Willy-Brandt-Haus, dass das Mitgliedernetz „SPD.online“ zur Community-Plattform umgebaut werden sollte. Und in diesem Zusammenhang der VOV zur Projektgruppe „erhoben“ würde. Was ich aus unerfindlichen Gründen irgendwie nicht glauben konnte.
Der VOV verändert sich …
Denn nicht nur der PV, auch der Virtuelle Ortsverein hatte sich seit der „Agenda 2010“ Debatte und der Einführung der Hartz-IV-Gesetze verändert. Die Diskussionen auf der Interpol-Liste drehten sich zwar immer noch um Urheberrechtsfragen, Identitätsmissbrauch, Wahlcomputer, GEZ-Gebühren, Rotlicht-Domains, Jugendschutz, Informationsfreiheitsgesetz oder Einsicht ins Vertragswerk des Maut-Konsortiums. Doch faktisch behandelten nur noch zehn Prozent der Postings im VOV das eigentliche Kernthema des Clubs. 90 Prozent der Beiträge drehten sich um Tagespolitik im Allgemeinen oder die SPD als Organisation im Besonderen. Auch an unserer Technologie nagte der Zahn der Zeit. Denn E-Mails schreiben erschien den Jüngeren unattraktiv. Doch aus Solidarität mit den Geringverdienern in der Partei – nicht jeder konnte sich 2005 schon eine DSL-Flatrate leisten – wollten wir so lange wie möglich an der Mailinglisten-Technologie festhalten. Und dadurch wirkte der VOV halt auch ein bisschen „verstaubt“.
… und Willy gehört einer Verwertungsgesellschaft
Dann bekam ich wieder Post. Allerdings nicht aus Berlin, sondern aus Bonn. Von der VG Bild-Kunst. „Wie wir festgestellt haben, werden auf Ihrer Website www.tursky-hartmann.de Werke unserer Mitglieder Rainer Fetting, Hans Haacke und Joseph Kosuth wiedergegeben, ohne dass hierfür eine erforderliche Genehmigung seitens der VG Bild-Kunst oder des Nachlasses vorliegt.“ Ich hatte, wie Hundertausende vor mir, die Skulptur von Willy Brandt fotografiert und das Foto auf meiner privaten Homepage veröffentlicht. Ohne mir bewusst zu sein, dass eigene Aufnahmen von Kunstwerken für eigene Onlinepublikationen der Lizenzierung durch eine Verwertungsgesellschaft bedürfen. Damit hätte ich das „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung“ nach § 19 Urheberrechtsgesetz (UrhG) verletzt.
Fotos von Kunstwerken online zu stellen, so die VG Bild-Kunst, bedürfe der Genehmigung der Rechtsinhaber. Ausnahmen gelten, wenn a) die Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod des Künstlers abgelaufen sei, oder b) das Werk sich dauerhaft an „öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ befindet. Dann greife nach § 59 UrhG die „Panoramafreiheit“. Kunstwerke, die sich dagegen im Innenraum eines öffentlich zugänglichen Gebäudes befinden, dürfen aufgrund einer „Schrankenregel“ nicht so einfach fotografiert werden. Sollte ich die Fotos also nicht umgehend entfernen oder eine Lizenz erwerben, würde die VG Bild-Kunst nach § 97 UrhG „Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche“ geltend machen. Ich habe dann zwölf Euro Lizenzgebühr gezahlt, um mein eigenes Foto von Willy auf meiner eigenen Homepage veröffentlichen zu dürfen und den PV davon informiert. Dass die Ikone der SPD einer Verwertungsgesellschaft gehöre, hat dann auch den Bundesgeschäftsführer Martin Gorholt überrascht.
Weniger überraschend war dagegen der Stand der Dinge betreffend Antragsrecht für den VOV. Man könne den Club vorübergehend an die Medienkommission des PV anbinden, schlug Gorholt im Gespräch im August 2006 vor. Solange das Problem mit der Doppelmitgliedschaft, also Mitglied im realen Ortsverein und im VOV zu sein, nicht gelöst sei. Meinem Einwand, dass diese Problematik doch alle Arbeitsgemeinschaften und Projektgruppen tangiere – also dass Frauen sowohl per Geschlecht Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Frauen (AsF) sind und gleichzeitig im zugeordneten Ortsverein Stimmrecht hätten –, hat er bejaht. Als ehemaliger Sprecher der Juso-Hochschulgruppen hat Martin Gorholt übrigens genau dieses „doppelte“ Antragsrecht zwanzig Jahre zuvor für die Studierenden gegen den Willen des PV durchgeboxt. Der Bundesgeschäftsführer bat mich um eine Frist von maximal zwei Monaten, um noch einmal prüfen zu lassen, wie man das Antragsrecht für den VOV gestalten könne. Wobei wir uns einig waren, dass die SPD solche Strömungen in der Gesellschaften kanalisieren müsse, um politisch nicht den Anschluss an neue Wählerschichten zu verlieren. Und ich dachte, okay, läuft. Nach vier Jahren Warten sollte es mir auf zwei Monate auch nicht mehr ankommen.
Der „Bundestrojaner“ bringt das Fass zum Überlaufen
Keine sechs Monate später, am 11. Februar 2007, ist mir dann doch der reale Kragen geplatzt. Denn die Virtuelle Konferenz hatte sich gegen den Einsatz von „Bundestrojanern“ ausgesprochen. Und mich als Vorsitzende auf die Suche nach einem sozialdemokratischen Wirtstier geschickt. „Eigentlich sollten wir im Oktober 2006 die Nachricht erhalten, ob der PV das Antragsrecht für den VOV endgültig ablehnt oder nicht, schrieb ich daraufhin an den Bundesgeschäftsführer nach Berlin. […] Ich meine, seid so ehrlich und sagt, nö, wir warten, bis ihr weggestorben seid oder so was. Was wir erhalten, oder besser, was wir bis heute nicht erhalten haben, ist eine vernünftige Antwort. […] Klar hat der PV viel zu tun, und klar stört so ein linker Club sicher auch die Kreise des ein oder anderen. Aber wofür wollt ihr neue Mitglieder gewinnen? Die nächste Generation, die jetzt eintreten soll, ist noch stärker IT-affin, als der VOV es war und der PV es jemals werden wird. Was wollt ihr jungen Leuten als Plattform anbieten?“, schrieb ich dem Bundesgeschäftsführer in einer wenig internettigen Mail nach Berlin.
… der Würfel ist gefallen
Diese Mail beschleunigte nun endlich die Entscheidung. Leider nicht in die gewünschte Richtung. Aber immerhin teilte uns am 28. Februar 2007 „der Imperator“ ganz analog per Brief mit, dass er „die bisher diskutierte Idee, den VOV zu einer Projektgruppe des Parteivorstandes zu machen“ für „keinen geeigneten Weg“ mehr halte. Außerdem sei eine Projektgruppe, so Martin Gorholt, zeitlich befristet, d. h., sie benötige „einen Anfang und ein Ende“. Der Anerkennung des VOV als offizielle Projektgruppe stünden leider „zahlreiche rechtliche Probleme (z. B. Status von Nichtmitgliedern, geheime Wahl, Rechenschaftspflicht über Mittelverwendung) entgegen“ und verwies auf den umfangreichen Schriftwechsel mit den Juristinnen und Juristen des Willy-Brandt-Hauses.
Es sei ihm unbenommen, entgegnete Sascha per Brief, das alles als Privatperson so zu sehen. Nur stünde die persönliche Meinung des Bundesgeschäftsführers im Widerspruch zum Beschluss des Bundesparteitags von Bochum. Zumal, wenn eine solche Absage knapp vier Jahre benötige. Die letzte Version der Satzung mit den Juristen des PV habe übrigens keine Punkte mehr enthalten, die einer Anerkennung entgegengestanden hätten. Denn die Mitarbeit von Nichtmitgliedern sei laut Organisationsstatut der SPD (Stichwort „Gastmitgliedschaft“) machbar. Und was die Mittelverwendung betreffe, verfüge der VOV immer noch nicht über eigene Finanzmittel. „Jörg Tauss (MdB) betreibt seit Jahren bei einem ISP einen Hostingserver (Mietmaschine) und stellt damit die technische Plattform für den VOV bereit. Sämtliche Programmierung, Wartung und Pflege des Systems erfolgen ehrenamtlich.“ Doch für den Parteivorstand war der Fall mit dem persönlichen Basta des Bundesgeschäftsführers erledigt.
Ich habe leider viel zu spät begriffen, dass es ein Fehler war, allein auf einen demokratisch zustande gekommenen Beschluss eines Bundesparteitags zu setzen. Ich empfinde es allerdings auch als zutiefst undemokratischen Vorgang, dass ein einzelner Funktionär mit einem Parteitagsbeschluss nach Gutsherrenart umgehen darf. Aber, man muss sich auch ehrlich eingestehen, wenn man gescheitert ist. Und dann die Verantwortung für die politische Niederlage übernehmen. Vielleicht fehlte mir damals auch so etwas wie das notwendige Aussitzfleischgen eines Helmut Kohl? Aber wäre ich dann gegenüber der Virtuellen Konferenz noch glaubwürdig gewesen? Was, wenn man mit der verliehenen „Macht“ eines Wahlamtes überhaupt nichts gestalten kann? Und ja, es hatte auch mit Selbstachtung zu tun. Und sicher auch mit neuen Zielen im realen Leben. Was in der Summe alles zusammen dazu führte, dass ich bei den Vorstandswahlen Anfang 2008 nicht mehr für den Vorsitz kandidiert habe.
Glaubwürdige Experten mit Know-how zulassen
Meine Entscheidung hatte zumindest den Vorteil, dass ich mich nicht mehr darüber ärgern musste, dass die SPD in der Großen Koalition mit der CDU entgegen aller Parteiprogrammatik sowohl die Vorratsdatenspeicherung als auch Onlinedurchsuchungen plötzlich sexy fand. Und Netzsperren verhindern auch keinen Kindesmissbrauch, auch wenn „Zensursula“ genau das mantraartig verbreitete. Das wussten Gott sei Dank die rund 134.000 Unterzeichner der elektronischen Petition beim Deutschen Bundestag dann doch besser. Trotzdem votierte die damalige SPD-Bundestagsfraktion für das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz. Was zur Folge hatte, dass der „Online-Beirat“ der SPD, den Kurt Beck im Sommer 2007 mit illustren Vertretern der Blogger- und Multimediaszene als Beraterkreis für den PV bestellt hatte, aus Protest seine Tätigkeit einstellte.
Für jüngere Politikerinnen und Politiker ist es heutzutage völlig selbstverständlich, Dienste wie Twitter oder Facebook für die politische Kommunikation einzusetzen. Aber reicht das aus, das Vertrauen netzpolitisch interessierter Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen? Nachdem sich die Piratenpartei politisch selbst versenkt hat und die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten ist, hätte die SPD übrigens gute Chancen, ihr eigenes Profil in der Frage, wie es mit den Bürgerrechten in der Informationsgesellschaft weitergeht, zu schärfen.
… am 5. September 2011 wird der Netzstecker gezogen – der VOV ist Geschichte
Mit Astrid Klug – der sechsten und letzten für den VOV zuständigen Bundesgeschäftsführerin (wir überspringen jetzt mal den Bundesgeschäftsführer Nummer fünf, Kajo Wasserhövel, und das Drama vom Schwielowsee) – haben Maritta (Strasser) und ich am 5. September 2011 den Netzstecker des Clubs im Willy-Brandt-Haus gezogen und die Domain des VOV dem Parteivorstand übertragen. Gedacht war, dass unter www.vov.de eine Linksammlung netzpolitischer Aktivitäten der SPD entstehen sollte. Im Rahmen der Parteireform hatte die damalige Generalsekretärin Andrea Nahles das Themenforum „Netzpolitik“ mit Rede- und Antragsrecht für alle netzpolitisch Interessierten angeregt. Aus Erfahrung mit der Diskussionskultur im VOV und dem „Klartext“ von www.spd.de habe ich mir zum Abschied in Berlin erlaubt, eine Moderation für die politischen Debatten im Netz zu empfehlen. Abschließend vereinbarten wir, dass der Server des VOV der Friedrich-Ebert-Stiftung oder dem Archiv der Sozialdemokratie in Bonn für Forschungszwecke übergeben werden sollte. Falls irgendwann einmal ein Historiker oder eine Historikerin untersucht, wie die Sozialdemokratie versuche, „das Internet für die politische Arbeit der SPD [zu] erforschen“.
Übersicht über die Netzpolitik der SPD in den Jahren 1995 bis 2010
Anders als insbesondere in den USA war der Stand der politischen Debatte der Parteien in Deutschland noch bis Mitte der 1990er einseitig auf die wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten und Gefahren der „schönen neuen Medienwelt“ begrenzt und konzentrierte sich auf Begriffe wie „Multimedia“ und „Datenautobahn“ und die erhofften oder befürchteten 500 (oder mehr) Fernsehkanäle. Erst 1995, wenn auch immerhin früher als in anderen Parteien, erweiterte sich als Folge interner inhaltlicher Auseinandersetzungen über einige kontroverse Entscheidungen und Positionen[1] auch in der SPD die politische Diskussion über das Telefon, Radio und Fernsehen der nächsten Generation um das Internet und die sich daraus ergebenden Dimensionen einer weitreichenden (auch gesellschaftlichen) Veränderung. Diese fraktionsinternen Auseinandersetzungen beförderten im Ergebnis die allgemeine Einsicht, die Informationslücken des Parlaments und den im internationalen Vergleich bestehenden Rückstand im Stand der politischen Diskussion systematisch durch eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages aufzuarbeiten.
1995: Errichtung der Enquete Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft
Vor nunmehr 20 Jahren beschloss der Deutschen Bundestag auf Antrag der SPD-Fraktion daher schließlich die Einrichtung der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft„[2]. Die SPD verfolgte mit ihrem Antrag das Ziel, im Rahmen der Enquete die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Deutschland in vielen gesellschaftlichen Bereichen von den Chancen der Informationstechnologie profitieren würde. Die Kommission nahm zum 31.01.1996 ihre Arbeit auf und widmete sich bis zu ihrem Abschluss 1998 insbesondere der Frage, inwieweit neue Informations- und Kommunikationstechnologien Veränderungen innerhalb der Gesellschaft bewirken.
Ein Erster Zwischenbericht[3] dokumentiert den Versuch der Kommission, zu ergründen, wie sich sogenannte „neue Dienste“[4] auf die Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt und den Wettbewerb auswirken. Der Zweite Zwischenbericht beschäftigte sich unter der Überschrift „Neue Medien und Urheberrecht“[5] u.a. mit Fragen wie erweiterte Verwertungsrechte, Urheberpersönlichkeitsrecht, Urhebervertragsrecht und der Verantwortlichkeit von Service-Providern. Der Dritte Zwischenbericht mit „Kinder- und Jugendschutz im Multimediazeitalter“[6] Medienwirkungsforschung und Feldern multimedialen Jugendschutzes wie Computerspiele, Internet und digitales Fernsehen, Medienpädagogik. Der Vierte Zwischenbericht „Sicherheit und Schutz im Netz“[7] mit den Themen Sicherheit in der Informationstechnik, Datenschutz, Strafrecht. Der Fünfte Zwischenbericht[8] schließlich mit „Verbraucherschutz in der Informationsgesellschaft“.
Trotz eines weitgehend ergebnisoffenen Umgangs mit den Themen gelang es den Teilnehmern aus den Reihen von CDU/CSU, FDP, Bündnis 90/ DIE GRÜNEN und SPD nicht immer, eine einheitliche Linie zu finden. Es bestand jedoch grundsätzliche Einigkeit darin, dass bestehende Rechtsunsicherheiten und tatsächliche Hürden im Bereich Informationstechnologie beseitigt werden müssten, um das Angebot neuer Dienste zu fördern. Neben inhaltlichen Kontroversen, z.B. über die Zukunft des dualen Rundfunksystems, gab es jedoch schon keine gemeinsame Position hinsichtlich der Frage, auf welche Bereiche sich die Arbeit und die Empfehlungen der Kommission erstrecken sollten: Für die SPD fiel das Verständnis, dass die Mehrheit der anderen Teilnehmer von Informations- und Kommunikationstechnologien und deren Auswirkungen vertraten, zu eng aus. Vor allem die CDU/CSU vertrat dagegen die Ansicht, politische Empfehlungen der Kommission sollten sich allein auf medienpolitischen Kontext beschränken. Die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollten sich diesem engen Verständnis jedoch nicht anschließen, so dass sie Sondervoten im Rahmen des offiziellen Abschlussberichtes[9] abgaben, der sich auf Vorarbeiten beziehen konnte, die parallel zur „offiziellen“ Enquete-Kommission gefertigt wurden[10].
Aus dem Votum der SPD geht hervor, dass neue Technologien nicht nur im engen medienpolitischen Bereich von Bedeutung sind, sondern in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext betrachtet werden müssten. Mit anderen Worten: Technologische Entwicklungen dürften nicht im „leeren Raum“ diskutiert werden, sondern im Kontext gesellschaftlicher Entwicklung. Durch die neuen Entwicklungen im Bereich Informationstechnik sollte nach Auffassung der SPD eine Modernisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft eintreten. Die Chancen der neuen Technologien für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wurden insgesamt höher als die Risiken eingeschätzt. Insgesamt trägt die SPD somit den Schlussbericht der Kommission, dass Deutschland vor allem in wirtschaftlicher aber auch in gesellschaftlicher Hinsicht von dem Wandel hin zu einer Informationsgesellschaft profitieren kann, sofern die wesentlichen infrastrukturellen und regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden.
Aufbauend auf den Arbeiten und den Erkenntnissen während der Enquete-Kommission hat die SPD in den darauffolgenden Jahren im Zusammenhang eine ganze Reihe von Initiativen zur Netzpolitik gestartet und vor allem Anträge in den Bundestag eingebracht, die darauf abzielten, die Entwicklung und Verbreitung neuer Informationstechnologien fördern. Zu diesen Initiativen zählen nicht nur direkte Förder- und Ausbauprogramme sondern auch Anträge, die das Vertrauen in diese Technologien schützen sollen.
Die Arbeit der Enquete-Kommission mündete in die Einrichtung des Ausschusses für “Kultur und Medien” und des Querschnittgremiums „Unterausschuss Neue Medien“. Dabei prägten die während der Zeit der Enquete-Kommission geleisteten Vorarbeiten bis 2009 weitgehend die Grundlinien der „Netzpolitik“ der SPD auf Bundesebene.
Nach dem 11. September 2001 rückte jedoch auch innerhalb der SPD zusehends eine Betrachtung ins Zentrum, die die Entwicklung und Nutzung neuer Informationstechnologien vor allem in den Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und/oder der Verfolgung von Straftaten stellte. Sie fand ihren Höhepunkt in der Verabschiedung von bis heute heftig umstrittenen Regelungen zur Auslandskopfüberwachung, der Vorratsdatenspeicherung, der heimlichen Online-Durchsuchung und schließlich der Webseiten-Sperre.
Einzelne Themenbereiche und Initiativen:
Die wenigen „Internetpolitiker“ in der SPD-Bundestagsfraktion und der Partei vernetzten sich früh schon über enge persönliche Kontakte und nutzten zudem Diskussionsplattformen wie den „Virtuellen Ortsverein der SPD“ um sich vertrauensvoll über Themen auszutauschen und auf politische Ziele zu verständigen. Es kam so zu einer sehr produktiven Phase von Diskussionen, Texten und etlichen Anträgen im Deutschen Bundestag, die hier in einer Übersicht – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – kurz dargestellt werden sollen. Damals wie heute standen dabei Fragen des Schutzes der Persönlichkeit, der Medienordnung, der veränderten Rolle des Staates im Mittelpunkt. Gemeinsam ist den aus dieser Zeit aber auch das spürbare Bemühen, sich dieses digitalen „Neulands“ – das es vor 20 Jahren politisch ja tatsächlich auch noch war – offen und mit einer grundsätzlich positiven Grundhaltung zu nähern, die Chancen zu betonen und Gefahren nicht nur als Risiken, sondern eben auch als Herausforderungen zu begreifen. Das höhere Ziel vieler netzpoliitischer Akteure in der SPD seit dieser Zeit: Für Fraktion und Partei auf Bundesebene Skizzen für eine Karte zu liefern, die klare Kursbestimmungen erlaubt, die auf ihre Grundwerte „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ orientiert sind.
Reform der Medien- und Kommunikationsordnung
Antrag : Reform der Medien- und Kommunikationsordnung für die Wissens- und Informationsgesellschaft verwirklichen[11]
Ziel des Antrags ist es, eine Medien- und Kommunikationsordnung zu entwickeln, die den Besonderheiten sowohl der „traditionellen“ als auch der Neuen Medien gerecht werden kann.
Zersplitterung der Regulierungs- und Aufsichtsstrukturen überwinden.
Regelungen entwickeln, die der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der alten und neuen Medien gerecht werden.
verlässliche Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit für die Entwicklung von e-commerce schaffen. Notwendig ist eine Neukonzeption der Medien- und Kommunikationsordnung aber auch, um die
grundgesetzlich garantierte Kompetenz der Bundesländer für den Medienbereich auch langfristig
Sicherung der Position und der Funktion der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Informationsgesellschaft und ihrer Finanzierung.
verstärkter Nutzerschutz, der auch durch Maßnahmen zur Verbesserung des Jugendschutzes, zur Vergrößerung der Medienkompetenz auf Seiten der Nutzer und die Förderung von Medienethik auf Seiten der Anbieter und der Aufsichts- und Selbstkontrolleinrichtungen erreicht werden kann.
den politischen Prozess mit Hilfe der neuen Medien transparenter und die Erbringung staatlicher Dienstleistungen effektiver machen.
Initiative: Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts[12]
Die Initiative beruht auf der Annahme, dass die hohe Arbeitslosigkeit nur durch einen gelungenen Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft bewältigt werden kann. Die Chancen der Informationsgesellschaft sollen noch konsequenter zur Wissensproduktion, Wissensverwertung und für Beschäftigungszuwächse genutzt werden.
neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten schaffen bessere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten
Zusammenführung bisher getrennter Wirtschaftszweige und Verbreitung des Internets eröffnet Unternehmen den Zugang zu neuen Märkten.
Bildungseinrichtungen müssen besser mit Internetanschlüssen ausgestattet werden außerdem müssen höhere Übertragungsraten erzielt werden.
alle gesellschaftlichen Gruppen müssen an der Nutzung von Informationstechnologien in gleicher Weise teilhaben können.
Digitalisierung der Rundfunkübertragung schafft die notwendigen Voraussetzungen für das Zusammenwachsen von Informations-, Kommunikations-und Rundfunktechniken.
Öffnet neue Märkte für neue digitale Nutzungen und vielfältige innovative Prozesse.
Überwindung des Problems der Frequenzknappheit.
Die durch die Digitalisierung frei werdenden Frequenzen können für neue innovative Dienste genutzt werden.
Modernisierung des Datenschutzes, IT-Sicherheit und Verbraucherschutz
Eckpunkte-Papier: Zur Modernisierung des Datenschutzrechtes[14]
Notwendig ist ein „neuer Datenschutz“ für die Informations- und Wissensgesellschaft von morgen.
Die bestehenden Datenschutzgesetze, die vor dem Hintergrund eines inzwischen weitgehend überholten Technikszenarios entstanden sind, das von zentralen Großrechneranlagen ausging, geraten angesichts der rasanten technischen Entwicklung – Stichworte Dezentralisierung und Vernetzung – immer mehr an ihre Grenzen
Das Vertrauen in neue Technologien muss gestärkt werden, um das wirtschaftliche Potenzial dieser Sparte zu nutzen.
Bei der Debatte um die Umsetzung der EU-Richtlinien in Deutschland darf jedoch nicht außer acht gelassen werden, dass die Harmonisierung europäischer Datenschutzsysteme zwar einen wichtigen ersten Schritt darstellt, das mittelfristig jedoch weit über Europa hinausgehende Regelungen gefunden werden müssen.
Erst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in seiner datenschutzrechtlichen Ausprägung und die Sicherstellung des Informationszugangs garantieren und ermöglichen die Teilhabe der Menschen an der Gesellschaft.
Ein modernisiertes Datenschutzrecht solle auf eine Trennung zwischen öffentlichem und nicht-öffentlichem Bereich verzichten und wesentlich „verschlankt“ werden.
Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes:
In der Koalitionsvereinbarung heißt es: ‚Effektiver Datenschutz im öffentlichen und im privaten Bereich gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen für eine demokratische und verantwortbare Informationsgesellschaft. Die notwendige Anpassung des deutschen Datenschutzrechts an die Richtlinie der Europäischen Union soll kurzfristig umgesetzt werden.
Umsetzung der EG-Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in deutsches Recht
Gutachten : Grundlinien zur ‚Modernisierung des Datenschutzrechtes‘[15] formuliert Eckpunkte für eine grundlegende Reform
Antrag: Umfassende Modernisierung des Datenschutzrechtes voranbringen[16]
Das bestehende Datenschutzrecht ist zu sehr am Konzept der räumlich abgegrenzten Datenverarbeitung fixiert. Der Datenschutz muss sich aber an den Herausforderungen einer dezentralen organisierten, aber miteinander, zumeinst auch weltweit vernetzten Datenverarbeitung stellen, in der die technischen Systeme auf mobilen Klein- und Kleinstrechnern installiert sind.
Datenschutz muss übersichtlich und transparent normiert werden
Datenschutz muss bei der Gestaltung von Produkten, die an der Verarbeitung persönlicher Daten beteiligt sind beachtet werden. (Privacy by Design)
Informationelle Selbstbestimmung als Grundrecht der Informationsgesellschaft soll in das Grundgesetz aufgenommen werden.
Einführung eines Arbeitnehmerdatenschutzes
Opt-In soll als Grundsatz für die Zulässigkeit der Datenverarbeitung gelten
Einführung von Selbstregulierungsmechanismen
Verbesserung der Durchsetzungskompetenzen der Kontrollstellen
Antrag: Sichere Informations- und Kommunikationsstrukturen gewährleisten[17]
Mit der zunehmenden Bedeutung elektronischer Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen für alle gesellschaftlichen Bereiche wächst zugleich das Bewusstsein um die neuen Gefahren, die mit den spezifischen Merkmalen elektronischer Datenverarbeitung in globalen Netzwerken einhergehen. Die Bundesregierung muss diesen Gefahren durch entsprechende Maßnahmen entgegen wirken. Dabei muss die Kryptofreiheit gewahrt bleiben.
Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen[18]
Verbraucher erhalten ein verbessertes Widerrufsrecht
Anrufer bei Werbeanrufen dürfen ihre Rufnummer nicht mehr unterdrücken
Bekämpfung sogenannter Kostenfallen im Internet
Antrag: Förderung von Vertrauen, Sicherheit und Datenschutz in E-Government und E-Business[19]
Bestehende Programme zur Förderung von Sicherheit und Datenschutz in E-Government und E- Business sollen in einer gemeinsamen Strategie zusammen gefasst werden
In allen Bundesbehörden sollen diese Programme gleichförmig angewendet werden und sie sollen in die Gespräche mit den Ländern zu einer E-Government-Gesamtstrategie eingebracht werden.
Digitale Spaltung überwinden
Antrag: Digitale Spaltung der Gesellschaft überwinden – Eine Informationsgesellschaft für alle schaffen[20]
Die Frage der Gewährleistung des Zugangs zu den neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten (IuK) ist als die entscheidende Herausforderung der entstehenden Wissens- und Informationsgesellschaft anzusehen. Die Sicherstellung eines umfassenden gesellschaftlichen Zugangs zu neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten auf dem jeweils aktuellen technologischen Leistungsniveau und des Zugangs zu relevanten Inhalten, dem „Content“, bildet die zentrale Voraussetzung für die Aufhebung der digitalen Teilung.
digitale Spaltung muss verhindert werden, um einer daraus resultierenden Diskriminierung bestimmter Gruppen vorzubeugen
Kosten für die Internetnutzung sowie die Hardware müssen sind, da diese bislang eine Zugangsbarriere insbesondere für einkommensschwache Haushalte darstellen
an öffentlichen Orten müssen leistungsfähige Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten bereitstehen
die Medienkompetenz muss im Schul-, Bildungs- und Weiterbildungssystem gefördert werden
Aufbau einer digitalen Bibliothek
Verbesserung der Online-Präsenz der öffentlich-rechtlichen Angebote
Antrag: Chancengleichheit in der globalen Informationsgesellschaft sichern- VN-Weltgipfel zum Erfolg führen[21]
Die Entwicklung der modernen Kommunikationstechnologien stellt die internationale Gemeinschaft vor die Herausforderung, auf die globale Chancengleichheit beim Zugang und der Nutzung dieser Kommunikationstechnologien hinzuwirken.
effektive globale Internetverwaltung an der demokratisch legitimierte Regierungen, Standardisierungsgremien, Betreiber und Diensteanbieter sowie Nutzer in gleicher Weise beteiligt sind.
hinsichtlich der Interverwaltung ist einer zivilen Nichtregierungsorganisation der Vorzug vor einer staatlichen Organisation zu geben
Entwicklungs- und Schwellenländer sind in verstärktem Maß an dieser Verwaltung zu beteiligen. Ihre Interessen sind bei der Verteilung von Domainnamen und IP-Adressen sowie hinsichtlich der Standorte der Rootserver zu beachten.
Kulturelle und sprachliche Vielfalt muss auch im Internet gewahrt und gefördert werden
Informationsfreiheit, e-Demokratie und e-Government
Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG)[22]
Das Gesetz soll das Verwaltungshandeln des Bundes durch erleichterten Informationszugang transparenter gestalten. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger werden gestärkt.
Anstelle des „Amtsgeheimniss“ tritt ein umfassender Auskunftsanspruch: „Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.“ (§ 1 Abs. 1, S. 1 IFG)
Das Informationsfreiheitsgesetz dient vor allem der demokratischen Meinungs- und Willensbildung, denn In der modernen Informationsgesellschaft werden Informations-, Kommunikations- und Partizipationsanliegen der Bevölkerung immer wichtiger und verwaltungstechnisch immer leichter erfüllbar.
Die neuen Informationszugangsrechte verbessern die Kontrolle staatlichen Handeln und sind insofern auch ein Mittel zur Korruptionsbekämpfung.
Antrag: Deutschlands demokratischer Weg in die Informationsgesellschaft[23]
Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik ist es, für den durch die neuen Informations- und Kommunikationstechniken vorangetriebenen Gesellschaftswandel solche Leitbilder zu formulieren, durch die sich die Informationsgesellschaft sozial verträglich und demokratisch entfalten kann.
Transparenz und Partizipation bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft
Maßnahmen wie Zensur oder generelle Überwachung elektronischer Kommunikation dürfen für alle demokratischen Staaten grundsätzlich nicht in Frage kommen
Eine „Filterung“ öffentlicher Meinungsäußerung nach inhaltlichen Kriterien oder ein Verbot vertraulicher Kommunikation scheidet aus.
Antrag: e-Demokratie: Online-Wahlen und weitere Partizipationspotenziale der Medien nutzen[24].
Die Politik hat die Potenziale der neuen Informations-und Kommunikationsmöglichkeiten und die Herausbildung der globalen Informations- und Kommunikationsnetzwerke für die politische Kommunikation positiv aufzunehmen und in den Gestaltungsprozess einzubinden.
Wissens- und Informationsgesellschaft verändert die Rahmenbedingungen für die politische Kommunikation im Spannungsfeld von Öffentlichkeit, Medien und Politik.
e-Demokratie Projekt
Zugang als Mittel demokratischer Teilhabe
Anspruch der Bürger auf Akteneinsicht und Auskunftserteilung (Informationsfreiheitsgesetz)
Stimmabgabe per Internet (so Abschlussbericht der Enquete-Kommission)
Antrag: Den Wettbewerb stärken, den Einsatz offener Dokumentenstandards und offener Dokumentenaustauschformate fördern[25]
Die zunehmende Digitalisierung wird als wichtiger Faktor für wirtschaftliches Wachstum angesehen. Erforderlich ist jedoch, dass sowohl in Unternehmen als auch in der Verwaltung offene Standards zur Dokumentenverwaltung genutzt werden können.
Für alle Beteiligten muss der Austausch von Dokumenten und Daten zwischen Behörden, Unternehmen und Bürgern ohne große technische Hindernisse möglich sein. Die öffentliche Verwaltung muss besonderen Wert darauf legen, niemanden von der Beteiligung an einem elektronischen Verfahren aufgrund der Nutzung eines bestimmten Produktes auszuschließen.
Standards sollen dann als „offen“ betrachtet werden, wenn sie den Austausch zwischen verschiedenen Plattformen und Applikationen ermöglichen und aus- reichend dokumentiert sind. Die Schnittstellen müssen offengelegt, die technischen Spezifikationen auch umsetzbar sein, und ihre Nutzung muss zu fairen und diskriminierungsfreien Konditionen lizenziert werden.
Urheberrecht
Zwischenbericht der Enquete Kommission: Neue Medien und Urheberrecht[26]
Das bestehende Urheberrecht sollte nur zurückhaltend reformiert werden. Die bestehenden Herausforderungen können mit Hilfe einer Änderung der Rechtsprechung sowie durch Ergänzungen bewältigt werden.
die Regelung des § 53 UrhG (Recht zur privaten Vervielfältigung) sollte auch digitale Techniken umfassen
der digitale Abruf von Kopien aus öffentlichen Bibliotheken für wissenschaftliche und schulische Forschungszwecke soll nicht beschränkt werden.
Antrag: Wettbewerb und Innovationsdynamik im Softwarebereich sichern – Patentierung von Computerprogrammen effektiv begrenzen[27]
Mit den anderen Fraktionen des Bundestages fordert die SPD, die EU Kommission auf, ihren Vorschlag für die Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen zu überarbeiten.
Die Patentierbarkeit von Software sei zwar ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, eine zu weit gehende Patentierbarkeit von Computerprogrammen drohe sich jedoch negativ auf die Innovationsdynamik auszuwirken und zu neuen Rechtsunsicherheiten insbesondere für Open-Source-Konzepte zu führen.
Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums[28]
Das Gesetz dient der Verbesserung der Stellung der Rechtsinhaber beim Kampf gegen Produktpiraterie. Es soll einen Beitrag zur Stärkung des geistigen Eigentums leisten und dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG[29].
Die wichtigste Neuerung besteht darin, dass Rechteinhaber gegenüber Dritten (z.B: Service Provider) einen Auskunftsanspruch auf Herausgabe der Daten des „Verletzers“ haben können.
Strafrechtsänderungsgesetz zur Bekämpfung der Computer-Kriminalität[30]
Mit diesem Gesetz wurden das Übereinkommen des Europarates über Computerkriminalität[31] und der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union über Angriffe auf Informationssysteme[32] in deutsches Recht umgesetzt.
Durch die Einführung des § 202c Strafgesetzbuch[33] (StGB) sollen bestimmte besonders gefährliche Vorbereitungshandlungen selbstständig mit Strafe bedroht werden.
Erfasst werden insbesondere die so genannten Hacker-Tools, die bereits nach der Art und Weise ihres Aufbaus darauf angelegt sind, illegalen Zwecken zu dienen, und die aus dem Internet weitgehend anonym geladen werden können.
Innere Sicherheit und Strafverfolgung
Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG[34]
Durch das Gesetz erfolgte eine grundlegende Neuregelung des Rechts der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen, das in den §§ 98a bis 101, 110a bis 110e und 163d bis 163f StPO geregelt ist. Dabei sollten technische Weiterentwicklungen berücksichtigt werden.
Durch § 100a Abs. 4 StPO soll der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch bei der Telekommunikationsüberwachung gewährleistet werden.
Umgestaltung des § 100g StPO in eine Datenerhebungsbefugnis und die Erstreckung der Befugnis zur Durchsicht von Datenträgern auf mit diesen vernetzten – aber räumlich getrennten Speichermedien (§ 110 Abs. 3 StPO)
Zur Umsetzung der Richtlinie[35] zur „Vorratsspeicherung“ von Verkehrsdaten werden im Telekommunikationsgesetz (insbesondere in den §§ 113a, 113b TKG) Regelungen über entsprechende Speicherungspflichten sowie in der Strafprozessordnung (§ 100g StPO) Regelungen über darauf bezogene statistische Erhebungen und Berichtspflichten geschaffen.
Es wird am 9. November 2007 in namentlicher Abstimmung von der Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags verabschiedet, am 26. Dezember 2007 von Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnet und trat mit dem 1. Januar 2008 in Kraft.
Inwieweit dieses Gesetz mit dem Grundgesetz verträglich ist, sollte durch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht geklärt werden,[4] allerdings bestanden bereits bei der Ratifizierung Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit.[5] Diese bestätigten sich schließlich auch durch Aufhebung des Gesetzes durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 02. März 2010 – 1 BvR 256/08.
Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt[36]
Ziel des Gesetzentwurfs ist die Verbesserung der Möglichkeiten bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt. Das BKA erhält unteranderem folgende Kompetenzen:
Rasterfahndung: Das Bundeskriminalamt kann von öffentlichen oder nichtöffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten von bestimmten Personengruppen aus Dateien zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhalt im öffentlichen Interesse geboten ist, erforderlich ist. (§ 20j Abs. 1, Satz 1)
Verdeckter Einsatz in informationstechnische Systeme : Das Bundeskriminalamt darf ohne Wissen des Betroffenen mit technischen Mitteln in vom Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingreifen und aus ihnen Daten erheben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. (§ 20k Abs. 1)
Überwachung der Telekommunikation: Das Bundeskriminalamt kann ohne Wissen des Betroffenen die Telekommunikation einer Person überwachen und aufzeichnen, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen und die Abwehr der Gefahr oder Verhütung der Straftaten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. (§ 20l Abs. 1)
Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten und Nutzungsdaten: Das Bundeskriminalamt kann ohne Wissen des Betroffenen Verkehrsdaten (§ 96 Abs. 1 und § 113a des Telekommunikationsgesetzes) erheben wenn bestimmte Tatsachen vorliegen und die Abwehr der Gefahr oder Verhütung der Straftaten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. (§ 20m, Abs. 1)
Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und –endgeräten: Das Bundeskriminalamt kann unter den Voraussetzungen des § 20l Abs. 1 durch technische Mittel
die Gerätenummer eines Mobilfunkendgeräts und die Kartennummer der darin verwendeten Karte sowie
den Standort eines Mobilfunkendgeräts ermitteln.
Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen[37]
Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung von Diensteanbietern, die den Zugang zu Kommunikationsnetzen vermitteln (Zugangsvermittler), technische Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu kinderpornografischen Internetangeboten zu erschweren.
Sperrliste: Im Rahmen seiner Aufgaben als Zentralstelle nach § 2 des Bundeskriminalamtgesetzes führt das Bundeskriminalamt eine Liste über vollqualifizierte Domainnamen, Internetprotokoll-Adressen und Zieladressen von Telemedienangeboten, die Kinderpornografie nach § 184b des Strafgesetzbuchs enthalten oder deren Zweck darin besteht, auf derartige Telemedienangebote zu ver- weisen (§ 8a Abs. 1 TMG)
Stoppmeldung: Die Diensteanbieter leiten Nutzeranfragen, durch die in der Sperrliste aufgeführte Telemedienangebote abgerufen werden sollen, auf ein von ihnen betriebenes Telemedienangebot um, das die Nutzer über die Gründe der Sperrung sowie eine Kontaktmöglichkeit zum Bundeskriminalamt informiert. (§ 8a Abs. 4 TMG)
Internet-Infrastruktur:
Antrag: Erweiterung des Adressraums im Internet[38]
Auch wenn das Internet global strukturiert ist, zeigt sich wegen des großen Erfolges dieser und anderer nationaler Adressierungen inzwischen weltweit ein Trend, die Adressierung auf Ebene der Top-Level-Domains weiterzuentwickeln
Neben den bekannten Adressen wie „.com“, „.org“ und den nationalen Adressen wie „.de“ wird der Adressraum um regionale Adressierung erweitert, um stärkere lokale und regionale Nutzung zu fördern bzw. homogene Märkte und Nutzungsräume schon auf Ebene der Top-Level-Domains sichtbarer und erkennbarer zu machen.
Diese Entwicklung bietet für Deutschland große Chancen und für die Bundesländer, Regionen und Städte, sich noch stärker als bisher in ihrer Eigenheit wirtschaftlich und kulturell weltweit präsentieren zu können. Die SPD-Fraktion unterstützt daher ausdrücklich Initiativen für neue Namensräume wie „.berlin“ oder „.nrw“.
III. 2010: Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“[39]
Mit dem Ende der Rot-Grünen-Koalition im Jahr 2005 fand die erste, sehr produktive Phase parlamentarischer Beschäftigung mit den Auswirkungen des Internet aus Politik und Gesellschaft in der SPD ein vorläufiges Ende. Die Zeit der darauffolgenden Koalition der SPD mit CDU/CSU zeichnete bereits ein zwiespältiges Bild, obwohl die in der Netzpolitik handelnden Personen weitgehend gleich geblieben waren.
Innerhalb der SPD rückte der Gedanke des „Schutzes“ dennoch wesentlich stärker in den Mittelpunkt. Bei Gesetzesinitiativen wie der Vorratsdatenspeicherung oder der „Websperre“ sollte dieses vorrangig durch Einschränkungen allgemeiner Freiheit durch Strukturen der Überwachung realisiert werden. Hiergegen wendete sich eine zunehmende Zahl von Mitgliedern in der SPD und vor allem viele jüngere Anhänger sozialdemokratischer Netzpolitik, was beim Thema Websperren beispielsweise in einen Initiativantrag für den SPD-Bundesparteitag mündete[40]. In diesem verlangte die Parteibasis von ihrer Fraktion im Bundestag nicht mit dem Koalitionspartner für die von Ursula von der Leyen vorgelegte Gesetzesinitiative zu stimmen, da sie hier „eine rote Linie“ überschritten sah. Eine Aussprache zu diesem Thema auf dem Bundesparteitag verhinderte jedoch das Parteitagspräsidium unter dem späteren Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz Heiko Maas[41], so dass – anders als bei der Fraktion von Bündinis90/Grüne, die sich nach einem entsprechenden Beschluss ihres Parteitages nicht mehr zur Zustimmung zu dem Gesetz in der Lage sah – die überwiegende Zahl der Abgeordneten der SPD diesem Gesetz zustimmten.
In der Folge erreichten die Proteste den von den Netzpolitikern in der SPD vorhergesagten Höhepunkt: Mehr als 130.000 Bürger unterschrieben eine gegen das Gesetz gerichtete Petition und die „Piratenpartei“ wurde aufgrund ihrer Umfrage- und Wahlergebnisse kurzfristig als ernsthafte politische Herausforderung der etablierten Parteien wahrgenommen. In der Folge schwand die öffentliche Zustimmung zu dem gerade erst in Kraft getretenen Gesetz so sehr, dass die nach den Wahlen 2009 regierende Koalition aus CDU/CSU und FDP die Aufhebung des Gesetzes schließlich selbst betrieb und dieses am 1. Dezember 2011 nahezu einstimmig aufgehoben wurde[42].
Auch wenn die SPD nach ihrer Wahlniederlage Nachbesserungsbedarf erkannte[43], die Phase, in der vor allem die SPD als fortschrittliche „Netzpartei“ in Deutschland wahrgenommen wurde, war 2010 vorüber – die Glaubwürdigkeit ihrer Protagonisten in der „Community“ langfristig schwer beschädigt.[44]
Die Koalition aus CDU/CSU und FDP erkannte die sich auftuende politische Lücke[45] und kündigte im Januar 2010 die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Thema „Internet und digitale Gesellschaft“ an. In der Presseerklärung hierzu heißt es:
„Der Staat muss Rahmenbedingungen setzen, um das Internet als freiheitliches Medium zu schützen sowie seine Funktionsfähigkeit und Integrität zu erhalten und zu fördern. Für Bürgerinnen und Bürger, für Wirtschaft und Wissenschaft ist ein freier, ungehinderter Zugang zum Internet von großer Bedeutung und entscheidet mit über den Wohlstand eines Landes. Die Entfaltung der Freiheitsrechte, im besonderem Maße das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, müssen im digitalen Zeitalter gewahrt und ihre Durchsetzbarkeit gesichert werden.“[46]
Diese Enquetekommission beschäftigte sich in 3 Jahren Arbeit und fast 2.000 Seiten Abschlussbericht leider wieder mit Themen, die bereits in der vorangegangenen Expertenrunde abgearbeitet wurden. Darunter:
die „Stärkung der Medienverantwortung“ von Anbietern und Nutzern,
die „Erhaltung und Sicherung von Medien- und Meinungsvielfalt“,
die „Förderung der Medienkompetenz“ in Bildungseinrichtungen und
die „Gewährleistung einer vertrauenswürdigen und sicheren Internet-Infrastruktur“[47]
Nun mehr erklärte auch die CDU/CSU Fraktion, dass sich das Thema Informationstechnologie nicht isoliert von gesellschaftlichen Entwicklungen diskutieren lässt. Schon in ihrem Antrag heißt es: „Das Internet ist nicht länger nur eine technische Plattform, sondern entwickelt sich zu einem integralen Bestandteil des Lebens vieler Menschen, denn gesellschaftliche Veränderungen finden maßgeblich im und mit dem Internet statt.“[48]
Auch wenn jede Auseinandersetzung zum Thema „Netzpolitik“ zu begrüßen ist, so kam die politische Einsicht, dass das Internet Teil des Lebens geworden ist, damals schon um einige Jahre zu spät. Diese Annahme sollte taugt nicht mehr als Ausgangspunkt für eine neue Debatte. Sinnvollerweise hätte die neue Enquete-Kommission daher sicherlich besser dort weitergemacht, wo die letzte Kommission aufgehört hatte und die seitherige Entwicklung kritisch untersucht und grundlegende Positionen weiterzuentwickeln. Stattdessen wurden in weiten Teilen ihrer Arbeit bereits geführte Debatten nur noch einmal in anderer Zusammensetzung und neuen Überschriften wiederholt.
So gelangte diese Enquete daher erwartungsgemäß auch nur zum Teil zu neuen Erkenntnissen und einigte sich nur auf wenige Punkte[49]: Selbst die von den Sachverständigen fraktionsübergreifend beschlossenen zentralen Handlungsempfehlungen jedoch fanden in den Koalitionsverhandlungen 2014 kurz darauf aber schon keine Mehrheit[50]. Und im Zuge der Enthüllungen von Edward Snowden zur massenhaften Überwachung der NSA auch in Deutschland erklärte die CDU-Vorsitzende Kanzlerin Merkel noch 2013 „Das Internet ist für uns alle Neuland“[51].
Der SPD ist es in der Rückschau mit ihren Initiativen in den ersten 15 Jahren „Netzpolitik“ somit zwar gelungen, das Thema „Internet“ in den zutreffenden Zusammenhang als ein wesentlicher Treiber gesellschaftlichen Wandels einzuordnen und die Diskussion darüber in ihrer Breite zu befördern. Netzpolitik ist heute als etablierter Teil allgemeiner Politik „angekommen“[52].
Anders aber als es noch in den ersten Jahren erschien, ist es der SPD auch nicht in der wichtigen Phase bis zum Ende der Rot-Grünen-Koalition im Jahr 2005, aber auch danach (noch) nicht gelungen, auch für sich selbst einen festen Grund zu erarbeiten, der es ihr ermöglichen würde, auch in rauer politischer See oder als „Juniorpartner“ in großen Koalitionen in heiklen Fragen etwa des „Schutzes“ und der „Sicherheit“ im Zweifel einen klaren Kurs in Richtung ihres Grundwertes „Freiheit“ zu halten. Zuletzt am überraschenden Kurswechsel von Sigmar Gabriel und Heiko Maas in der Frage der Vorratsdatenspeicherung[53] wurde vielmehr deutlich, warum sich die SPD in diesem wichtigen neuen Politikfeld daher immer wieder mit dem Vorwurf fehlender Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit konfrontiert sieht.
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[1] Bspw. wegen den Formulierungen der Anfrage „Multimediale Kommunikation – Stand und Perspektive der Entwicklung in Deutschland“ in BT-Drs. 13/958 und der Positionen zur Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes
[10] Diese sind im wesentlichen dokumentiert in Tauss/ Kollbeck/ Mönikes (Hrsg.) „Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“, Nomos, Baden-Baden 1996
[33] § 202c Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten
(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er
Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder
Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
[35] Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, Sh.: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:105:0054:0063:DE:PDF