Markus Hagge: Vom VOV über SPD-NET-SH zu den WebSozis – Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Die Anfänge

markusAnfang 1996 kaufte ich mein erstes Modem. Computer beschäftigten mich schon lange, die damals weit verbreiteten Mailboxnetze faszinierten mich, auch wenn ich tatsächlich nie so ganz den richtigen Zugang zu ihnen bekam. Damals war das ein sehr teures Vergnügen. Ich wohnte in Brunsbüttel, einer Kleinstadt an der Mündung des Nord-Ostsee-Kanales in die Elbe (und vielen sicherlich durch das Atomkraftwerk und die chemische Industrie bekannt), örtliche Mailboxen gab es nicht, so dass jede Einwahl in aller Regel ein Ferngespräch bedeutete. Meine Telefonrechnung sprang also in ungeahnte Höhen.

Irgendwann Mitte 1996 wurde aus dem „Online-Zugang“ dann auch ein „Internet-Zugang“. Am Anfang noch eher kompliziert und quasi als „Add-on“ zum eigentlichen Dienst (Compuserve, wenn ich mich richtig erinnere), man kam also nicht direkt ins Internet, sondern verband sich mit Compuserve und konnte sich von dort aus dann ins „freie“ Internet weiterverbinden. Die Telefonrechnung war immer noch exorbitant hoch, aber immerhin, der Zugangsknoten lag jetzt in Itzehoe, der Kreisstadt des Nachbarkreises, und nicht mehr ganz so fern.

spd.de im Dezember 1996
spd.de im Dezember 1996

Politisch durchaus schon länger interessiert beschloss ich Ende 1996 Mitglied in der SPD zu werden, da ich mit ihr schon länger sympathisierte. Standesgemäß „online“ via Internet (ja, diese Möglichkeit gab es zu der Zeit schon, die SPD war damals, was da anging, sehr fortschrittlich). Ich ahnte damals allerdings nicht, wo mich das hinführen sollte…

Mein Plan war, in der SPD eigentlich kein aktives Mitglied zu werden, ich wollte mit meiner Mitgliedschaft mehr oder weniger nur meine Solidarität ausdrücken. Ich war damals Angestellter bei einer Krankenkasse, und zu meinen Aufgaben gehörte, am Ende des Tages die Post zur selbigen zu bringen. Eines Tages, kurz nach meinem SPD-Beitritt, sprach mich der Postbeamte auf einmal mit „Du“ an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, am Abend zur Mitgliederversammlung zu kommen. Nun, der Postbeamte war der Kassierer „meines“ Ortsvereins (er ist es übrigens heute noch), und ich war dann doch neugierig. Also ging ich hin.

Natürlich musste ich mich vorstellen und war dabei gleich in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen war ich vergleichsweise jung, zum anderen erweckte das „online eingetreten sein“, welches ich warum auch immer an dem Abend erwähnte, ein riesiges „hallo!!!“. Ich wurde also fortan immer mit dem Internet verbunden. Wobei ich dem Ortsverein wirklich zugutehalten muss, dass die Genossen nie skeptisch sondern eher neugierig, getreu dem Motto „Gut, dass wir jetzt jemanden haben, der sich damit auskennt“, gesehen wurde.

Ab Januar 1997 wurde ich für zehn Monate zum Sanitätsdienst bei der Bundeswehr eingezogen. Ich hätte auch Zivildienst gemacht, da ich jedoch beruflich als Angestellter arbeitete und nicht schlecht verdiente und der Zivildienst drei Monate länger gedauert hätte, habe ich nicht lange drüber nachgedacht. Während dieser Zeit musste ich allerdings meine Online- wie auch Parteiaktivitäten runterfahren, sowohl aus Zeit- wie auch aus finanziellen Gründen. Wie gesagt, das Internet war damals noch ein relativ teures Vergnügen.

Irgendwann in dieser Zeit, vermutlich einfach beim Surfen auf VOV_logo 1998sozialdemokratischen Webseiten, eventuell auch erst kurz nach meiner Zeit bei der Bundeswehr, entdeckte ich den VOV und meldete mich an. Das Abonnement der verschiedenen Mailinglisten erschlug mich. So viele Mails in so kurzer Zeit hatte ich in allen Jahren zusammen nicht bekommen. Ich las eine Weile mit, las viele Beiträge, die mir sinnvoll erschienen, aber auch vieles, was mir einfach „spinnert“ und destruktiv vorkam. So recht was konnte ich damit aber nicht anfangen, denn ich war damals schon eher der Praktiker und weniger der Theoretiker.

VOV-Regional

LPT SPD SH ReinbekAls das Projekt „VOV-Regional“ aus der Taufe gehoben wurde, sah ich eine Chance, mich einzubringen. Zumal ich dort auch etliche Leute traf (präziser: las) die aus Schleswig-Holstein kamen und die tatsächlich konkret etwas gestalten wollten. Das erste regionale Internet-Projekt des Virtuellen Ortsvereins, an das ich mich erinnern kann, war ein Infostand auf dem SPD-Landesparteitag im April 1999 in Reinbek, zu dem ich hingefahren war. Viele Genossinnen und Genossen sind dort das erste mal mit dem Internet in Berührung gekommen, wie zum Beispiel die damalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, die dort das erste Mal eine Maus berührt hat.

Es folgten eine Menge Veranstaltungen und Treffen von uns Schleswig-Holsteinern – Infostände, Schulungsangebote usw. – und sogar eine Wählerinitiative im Rahmen des Landtagswahlkampfes im Jahr 2000.

In besonderer Erinnerung ist mir der Infostand auf dem Jahrhundertfest auf dem Schloss Gottorf in Schleswig Anfang Oktober 1999 geblieben. Wohl schon im Vorgriff auf den anstehenden Landtagswahlkampf hatte der SPD Landesverband so richtig in die vollen gegriffen und keine Kosten und Mühen gescheut, dort einen imposanten Auftritt hinzulegen. Wolfgang Küter und ich (Gerda Petrich war erkrankt, an andere erinnere ich mich leider nicht mehr. Sollte ich jemand vergessen haben, bitte ich um Entschuldigung) bauten in einem Zelt ein Internet-Cafe auf (ich meine, wir haben das auch so genannt). Allerdings waren wir die meisten Zeit wohl nur Unterstand für die meisten Besucher, denn das Wetter war – wie sagt man so schön – norddeutsch schmuddelig. Ein Abenteuer in sich mit diversen Computern im Zelt bei Starkregen, aber Wolfgang Küter sah das gelassen, also machte ich mir auch keine Sorgen. An einen Besucher erinnere ich mich allerdings heute noch gut: Udo Simonis, der Ehemann von Heide. Er hatte sich vermutlich in der Absicht, eine Pause zu machen, während seine Frau ihren Rundgang über das Fest absolvierte, zu uns ins Zelt geflüchtet und ließ sich nun mit wachsendem Interesse die Technologie des Internets erklären.

WIN-SH2000

wk2Im Wahlkampf kam dann WIN-SH2000, was mit Wahlkampf im Netz – Schleswig-Holstein 2000 zu übersetzen ist, zum Einsatz. Wir waren nach außen die Online-Wählerinitiative und nach innen das Online-Team des Wahlkampfs, fuhren zu Veranstaltungen, schrieben Berichte und machten Fotos (ich legte mir meine erste Digitalkamera mit 0,7 (!!!) Megapixel zu), die dann auf den verschiedenen Online-Plattformen (z. B. auf der Homepage der Spitzenkandidatin unter www.heide-simonis.de) veröffentlicht wurden.

Interessant ist sicher unser damaliges Equipment. Zu den „Berichtsterminen“ war es häufig nur die Digitalkamera (wobei nicht alle eine hatten, ich erinnere mich an einen Genossen – ich meine aus Kiel -, der in solchen Fällen nur zum Fotografieren anreiste), an „Unterwegs“-Berichterstattung war mangels mobilem Internet sowieso nicht zu denken. Das wurde allerdings dann noch in dergleichen Nacht von zu Hause aus nachgeholt. Bei Infoständen landete aber nicht selten auch der schwere Röhrenmonitor und der PC-Tower im Kofferraum, Laptops hatten wir nicht, an Flachbildschirme war noch nicht zu denken.

Ungefähr zu dieser Zeit, Mitte 1999, eventuell auch etwas früher, gestaltete ich für meinen Ortsverein eine Homepage – wir waren damit einer der ersten fünf Ortsvereine in Schleswig-Holstein, die einen Internetauftritt hatten. Das war damals noch lange nicht selbstverständlich. Bald übernahm ich auch den Aufbau der Homepage des Kreisverbandes Dithmarschen, nachdem der dortige Webmaster weggezogen war. Und wurde damit einhergehend Mitglied im Kreisvorstand. Mein Ziel war, Ortsvereine bei ihren Internet-Aktivitäten besser zu unterstützen, als das bislang der Falls war.

SPD-NET-SH

Nicht zuletzt aus der Zeit bei VOV-Regional/WIN-SH2000 kannte ich viele Genossinnen und Genossen, die in ihren Kreisverbänden mit vergleichbaren Problemen kämpften. Nach dem Ende des Wahlkampfes, den Heide Simonis übrigens gewann, hatten wir uns immer mal wieder getroffen, aber über theoretische Überlegungen aus den verschiedensten Gründen nicht richtig hinausgekommen.

Ich experimentierte zu dieser Zeit mit einer Art „Mini-Content-Management-System (CMS)“ für die Basis, nichts Großes und recht unflexibel (so in etwa: die Seite „Vorstand“ ist vorgegeben, nur der Name kann vom Nutzer selbst ausgetauscht werden), aber für viele Ortsvereine, die sich überhaupt nicht mit der Materie auskannten, für die damalige Zeit sicher nicht völlig verkehrt. Ich stellte das Projekt ein, nachdem ich erfuhr, dass Gaby Lönne in Nordfriesland ein komfortables und unter freier Lizenz stehendes CMS für die Bedürfnisse der SPD umschrieb. Mit drei Kreisverbänden (Nordfriesland, Segeberg und Dithmarschen, kurze Zeit später kamen auch Steinburg und Ostholstein dazu) mieteten wir uns Platz auf einem Server und boten das Projekt PHP-SPDNet (auf diesen Namen hatten wir uns geeinigt) für „unsere“ Gliederungen an. Es wurde ein voller Erfolg! Immer mehr Kreisverbände beteiligten sich an dem Projekt (unter dem Namen SPD-NET-SH als eine Art Trägerverein, ohne dass es direkt ein Verein gewesen ist). Bis heute wird es in weiten Teilen immer noch landesweit genutzt.

WebSozis

websozisall265x65Anfang April 2002 rief mich dann Stephan Hix aus Schwelm in Nordrhein-Westfalen an – er hätte mit ein paar Sozialdemokraten ein Webmaster-Forum für die SPD gegründet, weil sie Probleme mit dem hatten, was die NRWSPD damals im Internet plante (es ging um die Form eines Erfahrungs- und Wissensaustausches). Er fand unser Projekt in Schleswig-Holstein total spannend. Wir hatten im Prinzip schon das realisiert, was sich die „WebSozis“ (so nannte sich dieses neue Forum im Internet) auch vorstellen würden – ob ich mich nicht mal in ihrem Forum anmelden könnte, um unser Projekt aus Schleswig-Holstein vorzustellen. Das habe ich getan – und war überrascht, wie viele positive und konstruktive Rückmeldungen ich bekam. Norbert Müschen aus Goch, einer der Mitbegründer der WebSozis und inzwischen leider verstorben, hatte die Angewohnheit auf jeden, wirklich jeden Beitrag im Forum zu antworten – und wenn er die Antwort selbst nicht wusste kam ein „warte, wird sich sicher bald jemand zu melden.“

1. BundesWebSozi-Treffen 2002
1. BundesWebSozi-Treffen 2002

Das Ganze stand im krassen Gegensatz zum damaligen Umgang auf den Mailinglisten des VOV. Ich hatte mir angewöhnt, die Listen nur noch grob zu überfliegen und nur noch auf einzelne Mails zu antworten, da einige Teilnehmer zu destruktiv eingestellt waren, was der Diskussionskultur schadete. Es waren sicher nur wenige, die derart negativ agierten – doch diese wenigen überstrahlten nahezu alles. Das war bei den WebSozis anders. Außerdem hatten die WebSozis einen nahezu praktischen Ansatz, der mir – ich schrieb es bereits – sowieso weitaus näher lag. Im VOV las ich bald mehr oder weniger nur noch passiv mit, mein Fokus lag fortan bei den WebSozis und SPD-NET-SH.

Bei den WebSozis entwickelten wir das PHP-SPDNET von SPD-NET-SH zum WebSoziCMS weiter (da ist vor allem Harald Kampen zu nennen, der ungezählte Stunden Arbeit investiert hat), nachdem es zwischen SPD-NET-SH und den WebSozis zu Meinungsverschiedenheiten betreffend der Ausrichtung des CMS kam. Die WebSozis gestalten das System weitaus offener als SPD-NET-SH, so das ich dort ausschied. Wir haben noch einige Zeit versucht, beide Systeme kompatibel zu halten (sollte der Auslegungsstreit beigelegt werden) – aber mit der Zeit entwickelten sich beide Systeme so weit auseinander, dass sie, außer einer gewissen Ähnlichkeit in der Bedienung und einigen Konzepten, heute nichts mehr miteinander gemein haben.

ws-mausNun sind bzw. waren die WebSozis nicht nur das WebSoziCMS – das Motto lautet schließlich „Know-How-Sharing für SPD/SPÖ und SPD Webmaster“. So gab es diverse Online-Kurse von HTML über Programmierung bis zur Grafikbearbeitung, die einzelne WebSozis ehrenamtlich betreuten bzw. für Interessierte anboten. Dieser Teil ist heute ein wenig eingeschlafen, was sicher auch daran liegt, dass vieles nicht mehr „per Hand“ programmiert sondern Content-Management-Systeme genutzt werden (auch, aber nicht nur das WebSoziCMS). Daneben gab und gibt es immer noch Infostände, z. B. auf Parteitagen, WebSozi-Treffen und verschiedene gemeinsame Projekte, von News-Diensten über TV-Hinweisen zu Flugblättern in HTML etc. – mit den RedOnliners hatten die WebSozis sogar mal eine eigene (reale) Band. Bis heute betreuen die WebSozis die Internet-Aktivitäten rund um den Wilhelm-Dröscher-Preis der SPD, der auf Bundesparteitagen an besonders engagierte SPD-Gliederungen vergeben wird.

Aus dem Motto oben geht übrigens auch hervor, dass die WebSozis sich geographisch weiter definiert haben als „nur“ in Deutschland. Aus Österreich waren im Laufe der Jahre immer mal vereinzelt Mitglieder dabei, aus der Schweiz waren es einige mehr.

Am 25. Juli 2003 ging dann der „Soziserver“ ans Netz – die Basis für das eigene Content-Management-System (erst PHP-SPDNET, später dann das WebSoziCMS) sowie der verschiedenen WebSozi-Projekte. Der Soziserver bietet „ganz normales“ Webhosting an. Aus diesem Webhosting finanziert sich auch die Plattform der „WebSozis“ samt ihrer angeschlossenen Projekte. Nun ist der Betrieb eines Servers mit einigen Eigenheiten verbunden, gerade wenn man damit auch wirtschaftlich erfolgreich sein will. Wenn die WebSozis dass selbst hätten betreiben wollen, hätten sie sich mit betriebswirtschaftlichen Fragen wie „wer betreibt das überhaupt?“, „Wer zahlt welche Steuern?“ etc. auseinandersetzen müssen. So formal wollten (und wollen bis heute) die WebSozis aber nicht agieren (wenn ich mich erinnere, welche Diskussionen die Kosten des Hostings von www.vov.de auf den Mailinglisten des Virtuellen Ortsvereins regelmäßig auslöste…).

So war es nur logisch, dass mit Andreas Kesting (damals aus Potsdam), der als WebSozi eine kleine Webhosting-Firma betrieb, sich bereit erklärte, die administrativen Dinge zu übernehmen. Andreas mit seiner Firma unaone imc services und die WebSozis schlossen dazu eine Art „Joint Venture“. Dank der Bereitschaft und Zusage einiger Kreisverbände, den Soziserver ab seinem Start zu nutzen, konnte das Projekt online gehen.

Ich arbeitete nun beinahe von Anfang an beim Soziserver mit (aus der Zeit stammt die Geschichte vom Soziserver unter dem Küchentisch, wo er bei Andreas – zu Einrichtungszwecken, natürlich nicht produktiv – tatsächlich mal stand). Privat verließ ich die Krankenkasse, nachdem ich feststellte, dass ist für mich keine Perspektive für mein ganzes Arbeitsleben, und nutzte die Chance, noch einmal eine Ausbildung zum „Fachinformatiker Anwendungsentwicklung“  zu machen. Sicher ist das alles durch meinen „Partei“-Werdegang beflügelt worden, wobei ich 1992 den damals einzigen IT-Ausbildungsberuf „Datenverarbeitungskaufmann“ für meine erste Ausbildung sehr wohl in die engere Wahl gezogen hatte, nur gab es damals in meiner Umgebung gerade mal einen einzigen Ausbildungsplatz.

Mitte/Ende 2006 musste sich Andreas Kesting die Frage stellen, wie er beruflich weitermachen wollte. Das Projekt „Soziserver“ hatte Dimensionen angenommen, die sich neben seinem Job als Büroleiter beim damaligen Bundestagsabgeordneten Peter Friedrich aus Konstanz kaum noch in Einklang bringen ließen. Ich hatte derweil meine Ausbildung beendet und mich entschlossen, es als selbständiger Anwendungsentwickler auszuprobieren. Das eine kam zum anderen, Andreas entschied sich für seinen Hauptjob, und ich übernahm unaone imc services und damit auch den Soziserver (der inzwischen natürlich sehr viel mehr ist als nur ein Server).

Infostand auf dem LPT der SPD RLP in Ida-Oberstein 2010 - Kurt Beck, Anja Hagge (damals Wüste), Markus Hagge
Infostand auf dem LPT der SPD RLP in Ida-Oberstein 2010 – Kurt Beck, Anja Hagge (damals Wüste), Markus Hagge

Für die WebSozis wurde ich von Kurt Beck in den ersten Online-Beirat der SPD berufen – dort traf ich dann Sascha Boerger – und somit auch den VOV wieder. Der Beirat krankte leider daran, dass nicht genau definiert war, zu was er den SPD-Parteivorstand beraten sollte. Ich habe es als praktische Sache betrachtet. So brachten wir, wenn ich mich recht entsinne, den Bundestagsabgeordneten Hubertus Heil zum twittern (ich fing noch in Berlin nach einer Sitzung des Online-Beirats damit an). Und wir diskutierten verschiedene praktische Fragen zu Strategie und Ansprache im Internet. Ich hatte den Eindruck, dass man uns in unserer Funktion ernst nahm, denn der Generalsekretär und die Abteilungsleiter des Willy-Brandt-Hauses waren immer dabei. Kurt Beck, damals noch SPD-Parteivorsitzender, hat sich zumindest immer für ein kurzes „Hallo“ blicken lassen, Franz Müntefering (meine ich) nie. Im Streit um die geplanten Zensurgesetze und die „Netzsperren“ legten alle Mitglieder des Online-Beirats im Sommer 2009 aus Protest ihre Mitgliedschaft dann nieder.

Zum Abschluß eine kleine private Anekdote: auch als Heiratsvermittler waren die WebSozis aktiv. Meine Frau Anja war Mitglied bei den WebSozis und suchte einen Praktikumsplatz im IT/Neue Medien-Bereich – der bereits erwähnte Norbert Müschen brachte sie dazu, doch mal bei mir und dem Soziserver nachzufragen. Ich war zwar skeptisch, aber da ich einige Zeit davor schon einmal die Unterstützung von einem Schüler im Auftrag von Jörg Tauss, damals noch Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg, hatte, um mir bei der Umsetzung eines Projektes mit der SPD Bawü zu helfen, sagte ich zu. Was soll ich sagen: Anja blieb bei mir in Lübeck und wir haben später geheiratet.

Fazit

Im Gegensatz zum VOV gibt es die WebSozis noch. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass es Zeiten gab, wo es wesentlich aktiver zuging. Einiges hat sich in die Sozialen Medien – vorwiegend Facebook – verlagert, anderes ist eingeschlafen, weil kein Interesse oder kein Bedarf mehr dafür besteht/bestand (die Workshops erwähnte ich bereits).

VOV und Websozis hatten/ haben sicherlich völlig unterschiedliche Zielrichtungen. Die WebSozis haben einen streng praktischen Ansatz und haben die Tagespolitik bewusst, bis auf sehr wenige Ausnahmen, ausgeklammert. Was nicht heißt, dass die WebSozis unpolitisch sind. Sie agieren bis heute aufgeschlossen füreinander „in einem normalen Umfeld“. Nicht wenige haben ganz normale Funktionen in der Partei oder sind zu Bürgermeistern oder in vergleichbare Funktionen gewählt worden. Der VOV dagegen hatte seit seiner Gründung politische Konflikte im Spannungsfeld „Netzpolitik“ versus „allgemeine Politik“. Und die sehr destruktive Art des Umgangs einiger (weniger) Mitglieder haben mich dazu bewogen, den VOV zu verlassen.

Eine Anerkennung als offizieller Arbeitskreis/Arbeitsgemeinschaft beim SPD Parteivorstand ist von den WebSozis nie angestrebt worden. Im Gegenteil, es besteht ein gewisser Stolz, unabhängig zu sein, was sicher auch in der Gründungsgeschichte liegt. Nichtsdestotrotz funktioniert die Zusammenarbeit, bis auf wenige Ausnahmen, mit den meisten Landesverbänden und der Bundespartei gut.

 

Markus Haggemarkus_westerhever
Jahrgang 1975
zuerst Sozialversicherungsfachangestellter der Fachrichtung Krankenversicherung, später selbständiger Informatiker,
Betreiber von soziserver.de und Mitglied im Admin-Team der WebSozis.

Twitter: @markushagge