Dr. Aleksandra Sowa (2015): „Wahlmaschine“ des Virtuellen Ortsvereins

Gespräch mit den Wahlleitern des VOV, Jens Hoffmann und Axel Schudak

„Ihr werdet nie virtuell Plakate kleben können!“ ‒ an diese Aussage des SPD-Ehrenvorsitzenden, Hans-Jochen Vogel, an den Virtuellen Ortsverein (VOV) gerichtet, erinnerte Jörg Tauss in seinem Beitrag über „Die Geschichte des VOV und der Netzpolitik“. Plakate wurden vom VOV gewiss nicht geklebt, dafür wurde im Virtuellen Ortsverein bereits im Jahr 1995 virtuell gewählt. „Ich habe die Mails damals noch per Hand ausgezählt“, erinnert sich der Wahlleiter, Axel Schudak, an die ersten Vorstandswahlen (die zugleich vermutlich die ersten Onlinewahlen deutschlandweit gewesen sind), „damit dürfte die erste Onlinewahl in der Steubenstraße in Oldenburg organisiert und ausgezählt worden sein.“ Er kann sich auch deshalb „noch recht gut an die erste Auszählung erinnern“, weil sie sehr knapp war. „Immerhin lagen Jakob von Weizsäcker und Heino Prinz nur wenige Stimmen auseinander …“, erinnert er sich, „und ich wollte eigentlich Jakob.“ Gewonnen hat dann doch Heino Prinz – und wurde erster virtuell gewählter Vorsitzender des VOV (s. Wahlergebnis der Vorstandswahlen 1995).

Ergebnis der ersten Vorstandswahlen des VOV im Jahr 1995, hier: Online-Wahl des Vorsitzenden.
Ergebnis der ersten Vorstandswahlen des VOV im Jahr 1995, hier: Online-Wahl des Vorsitzenden.

Von den Besten lernen

Bis zu seiner Auflösung im Jahr 2011 [1] wurden sowohl alle Vorstandswahlen online vollzogen als auch interne Abtimmungen per E-Mail durchgeführt. „Der VOV hatte sich von Anfang an auf die Fahne geschrieben, zu untersuchen, wie direkte Demokratie im Internet realisiert werden kann. Dazu gehören selbstredend auch Wahlen“, erinnert sich Jens Hoffmann, Mitbegründer des VOV und etliche Jahre selbst der (online gewählte) Wahlleiter des Vereins.

Offene Stimmabgabe oder Meinungsäußerung ist im Internet wie auf Mailinglisten relativ einfach möglich. „Ganz zu Anfang haben wir ein altes Wahlverfahren aus dem Usenet kopiert“, bemerkt Jens Hoffmann. Im Usenet wurden beispielsweise Entscheidungen über die Entstehung neuer Diskussionsgruppen, Abschaffung dieser oder Änderung von Richtlinien in geregelten Verfahren abgestimmt. Dem standardisierten Request for Discussion (RfD) folgte ein sogenannter Call for Votes (CfV), in welchem innerhalb von drei bis vier Wochen (mit einwöchiger Einspruchsfrist) beispielsweise über die Einführung eines neuen Diskussionsforums entschieden wurde. Der Wahlzeitraum betrug laut Wahl- und Abstimmungsordnung des VOV vierzehn Tage bei Wahlen und Satzungsänderungen und sieben Tage in allen anderen Fällen. Die Frist für den Einspruch betrug dann aber ganze zwei Wochen [2].

Operation KISS (keep it simple, stupid) [3]

So kam man im Usenet zu dem Ergebnis: „Nach dem Ende des Abstimmungszeitraums werden die Stimmen ausgewertet. Im Ergebnisposting wird bekannt gegeben, wie viele Stimmen für jede Variante abgegeben wurden und ob damit die Hürden der Einrichtungsrichtlinien überschritten wurden“, erklärten Boris Piwinger und Elmar Bins in ihrem Buch über Newsgroups, „[d]azu wird eine Liste aller Abstimmenden mit Nennung der Wahlentscheidung veröffentlicht“ [4].

Langjähriger Wahlleiter des VOV, Jens Hoffmann, wusste, wie man das System "austricksen" kann © Petra Tursky-Hartmann
Langjähriger Wahlleiter des VOV, Jens Hoffmann, wusste, wie man das System „austricksen“ kann © Petra Tursky-Hartmann

Die Vorstandswahlen (und Personenwahlen im Allgemeinen) erforderten jedoch ein Mindestmaß an Anonymität, Vertraulichkeit – und Integrität. Eine offene Abstimmung per E-Mail wäre den demokratischen Prinzipien einer freien und geheimen Wahl nicht gerecht – und war im Virtuellen Ortsverein einfach nicht erwünscht. Ein Wahlsystem musste her.

Die Lösung für die VOV-Wahlen überzeugt heute immer noch durch ihre Einfachheit: „Nun könnte jeder eine Mail mit seiner Stimme an den Wahlleiter schicken. Der zählt dann und veröffentlicht das Ergebnis“, erklärt der langjährige Wahlleiter des VOV, Jens Hoffmann. So weit, so gut. Doch ab dann wurde es kompliziert, denn das Ergebnis einer so durchgeführten geheimen Wahl wäre nicht a posteriori validierbar, „der Wahlleiter könnte ja Stimmen falsch zuordnen, oder einfach noch paar Stimmen mehr erzeugen oder, oder, oder …“, erinnert sich Jens. „Wir brauchten also ein Wahlverfahren, das geheim und nachvollziehbar war.“

„Jeder Wahlberechtigte musste in die Lage versetzt werden, seine Stimmabgabe (a posteriori) zu prüfen. So konnte der Wähler etwaigen Manipulationsversuchen selbst auf die Spur kommen. Die Grundidee war recht einfach. Abgestimmt wurde via E-Mail. „Jeder Wähler hat seine Stimme mit einem Kennwort markiert“, erklärt Jens das Prozedere. Sobald alle Wähler ihre Stimmen an den Wahlleiter schickten, hatte dieser das Ergebnis veröffentlicht und statt des Namens das (gewählte) Kennwort angegeben. „Jeder konnte nach seinem Kennwort suchen und prüfen, ob seine Stimme richtig aufgenommen wurde.“

"Wahlzettel" für die Personalwahl. Muster aus dem Jahr 1997.
„Wahlzettel“ für die Personalwahl. Muster aus dem Jahr 1997.

Dieses Wahlverfahren basiert auf der – heute auch in E-Commerce verbreiteten ‒ Idee der sogenannten Trusted Party. Und die „trusted authority“ bzw. „trusted third party“ war beim Virtuellen Ortsverein der Wahlleiter: „Bei diesem Verfahren bleibt der Wahlleiter jemand, der alle Stimmabgaben der Wähler kennt. Das Vertrauen in das Wahlverfahren war also grundsätzlich im Vertrauen in den Wahlleiter gegründet“, erklärt Jens die Idee. „Wir haben lange hin und her überlegt, die Köpfe heiß geredet, aber erstaunlicherweise fanden wir kein Verfahren, das nicht an irgendeiner Stelle dasselbe Vertrauenslevel erforderte wie das, welches dem Wahlleiter entgegengebracht wurde.“

20 Jahre Online-Wahlen!

Der Virtuelle Ortsverein hat die Modalitäten für die Onlinewahlen – Personenwahlen, CfVs und RfDs – in einer Wahl- und Abstimmungsordnung festgelegt. Diese sollte eigentlich nur so lange gelten, „bis sichere Verfahren für eine geheime Abstimmung (Wahlmaschine) entwickelt und eingeführt worden sind“ [5]. Tatsächlich hat sich bis heute kein elektronisches Wahlverfahren durchsetzen können. Die Komplexität der Hardware und der Software scheint bei jeder weiteren Lösung zwar zu steigen, doch das erschwert offenbar nur noch die Umsetzung der Mindestvorgaben für Sicherheit, Datenschutz und Anonymität für geheime, allgemeinzugängliche und gleiche Wahlen.

In diesem Jahr „könnten wir vielleicht sogar noch 20-jähriges Jubiläum der Onlinewahlen in Deutschland feiern“, bewertet Axel Schudak das VOV-Experiment. Doch er schränkt dabei ein, dass er „Wahlen, in denen konkrete Macht verteilt wird, weder Wahlmaschinen noch einem Onlineverfahren anvertrauen möchte“. Axel war fast sieben Jahre der Wahlleiter des VOV und hat Onlinewahlen in der Autopsie erprobt. Es gibt nicht viele Menschen, die auf diesem Gebiet so viel Erfahrung vorweisen können. „Wahlmaschinen aller Couleur stehen nicht umsonst unter sehr kritischer Beobachtung der IT-affinen Community“, kommentiert der ebenfalls langjährige Wahlleiter, Jens Hoffmann.

Eine Sache musste trotzdem auch in der virtuellen Welt noch geklärt werden.

Wie prüft man in einem solchen – virtuellen ‒ Wahlsystem nun, ob die Wähler wahlberechtigt sind? „Dazu braucht es ein Wählerverzeichnis“, erklärt Jens Hoffmann. „Jedes Mitglied des VOV meldete sich schriftlich an und wurde dann mit Mailadresse registriert, auf dem VOV-Server gespeichert, und der Schriftführer konnte dem Wahlleiter zu jeder Wahl eine Liste der berechtigten E-Mail-Adressen geben.“ So wurde sichergestellt, dass nur VOV-Mitglieder an den Wahlen und Abstimmungen teilnehmen. Der Wahlleiter hat parallel mit dem Wahlergebnis eine alphabetische Liste der Wahlteilnehmer getrennt veröffentlicht [6]. „Das funktionierte so weit ganz ordentlich und war dann während des ganzen Lebens des VOV das Wahlverfahren“, konstatiert Jens.

Das schriftliche Offline-Anmeldeverfahren war für die „Virtuellen“ zwar unüblich, hatte aber einen wichtigen Zweck. Es stellte das Prinzip „one man one vote“, oder besser gesagt: ein Mann – eine E‑Mail-Adresse – eine Stimme, für die Onlinewahlen sicher. Einige der VOV-Mitglieder sind sich tatsächlich nie persönlich begegnet. Und diejenigen, die sich öfters begegnet sind, wussten offenbar, das Verfahren umzugehen. Jens Hoffmann erzählt dazu gerne eine Anekdote: „Ich selber habe mich nie schriftlich angemeldet. Ob es mich gibt, haben dann nur verschiedene Genossen in Real Life feststellen können.“ Diesen „Strickfehler“ hat er natürlich nie öffentlich erwähnt. J

YAOTM (yet another off-topic message)? Aber nur auf den ersten Blick.

Möglicherweise hatte Hans-Jochen Vogel recht damit, dass man im Internet nie Plakate wird kleben können. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass man sich nicht die Frage gestellt hat, ob man für virtuelle Plakate überhaupt noch so etwas wie Kleber braucht. Oder ob man im Internet noch so etwas wie Plakate braucht. Heute kann man das Internet für allerlei Unnützes benutzen. Man kann sich beispielsweise per Internet Platz in den Warteschlagen zu den wichtigeren Anhörungen des US-Kongresses sichern. Und zwar, indem man die Dienstleistungen einer Online-Firma bucht, die wiederum Arbeitslose dafür bezahlt, sich für die Lobbyisten und Industrievertreter vor den wichtigeren Anhörungen in die Schlange vor dem Kongress anzustellen [7]. Ob dies nun ethisch, moralisch und demokratisch ist (aus der Sicht des Kapitalisten spricht offenbar nichts dagegen, jemanden fürs Schlangestehen zu bezahlen, nur handelt es sich im Fall des US-Kongresses nicht um einen Supermarkt), sei dahingestellt. Doch es steht fest – ja, auch Schlangestehen für den Kongress kann über eine Webseite gebucht werden. Ob es Sinn macht, ob man dazu wirklich eine fortgeschrittene Technologie wie das Internet braucht, oder ob das demokratische Gemeinwohlprinzip entwertet und etwa gesellschaftliche Praxis korrumpiert, sind ganz andere Fragen. Fragen, über welche man möglicherweise nicht ernsthaft nachgedacht hat.

 

Der Virtuelle Ortsverein tat es.

 

Unbedingt lesen! Axel Schudak (2015). Online-Wahlen im VOV (31.3.2015)

 

[1] Tursky-Hartmann, P. 2015. „…das Internet für die politische Arbeit der SPD erforschen“. In: Virtueller-Ortsverein, https://virtueller-ortsverein.de/das-internet-fuer-die-politische-arbeit-der-spd-erforschen/, 27.4.2015 (Zugriff: 1.8.2015).

[2] Vgl. Pkt. III.2 der Wahl- und Abstimmungsordnung des VOV. In: WaybackMachine, http://web.archive.org/web/19961222172627/http:/vov.de/, 19.2.1997 (Zugriff: 1.8.2015)

[3] Einige der (heute teilweise ganz vergessenen) Abkürzungen sind hier zu finden: Piwinger, B. A. und Bins, E. K., 1997. Newsgroups. Weltweit diskutieren, S. 329.

[4] Piwinger, B. A. und Bins, E. K., 1997. Newsgroups. Weltweit diskutieren, S. 318.

[5] Vgl. Pkt. IV der Wahl- und Abstimmungsordnung des VOV. Ebenda.

[6] Vgl. Pkt. III.1 der Wahl- und Abstimmungsordnung des VOV. Ebenda.

[7] Vgl. Sandel, M. J., 2014. Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen des Marktes.

Axel Schudak (2015): Online-Wahlen im VOV

Geheime Wahlen?

Mit der Gründung des VOV stellte sich schnell das Problem, dass wir zur Besetzung der verschiedenen Funktionen Wahlen durchführen mussten. Glücklicherweise waren wir nicht die Ersten, die zu einem potentiell heftig umstrittenen Thema in Online-Netzen eine Einigung per Abstimmung zustande bringen mussten: Usenet-Gruppen waren uns da um einiges voraus.

Da ich an einigen solcher Abstimmungen teilgenommen hatte und über eine private Internet-Standleitung nach Hause verfügte, erklärte ich mich bereit, die ersten Wahlen im VOV durchzuführen.

Die eigentliche Wahl fand – wie damals unsere gesamte Kommunikation – über eine Mailingliste und eine Stimmabgabe per E-Mail statt – es war also jedem Teilnehmer klar, dass zumindest der Wahlleiter die Stimmabgabe lesen konnte, eine „geheime“ Wahl also nicht im letztendlichen Sinne der Definition stattfand. Üblicherweise wird in einer Usenet-Abstimmung sowohl der Name des Abstimmenden als auch seine Stimmabgabe veröffentlicht, was Manipulationen ausschließt. Da eine Personenwahl geheim sein sollte, haben wir auf die Auflistung der Stimmabgabe verzichtet. Es war also anfangs ein Vertrauensprinzip.

Gleich unsere erste Abstimmung über die zukünftige Leitung des VOV war von grundsätzlicher Natur, da sich mit Heino Prinz und Jakob von Weizsäcker zwei Vertreter völlig unterschiedlicher Ausrichtungen zur Wahl stellten – Heino war eher ein Generalist, der den VOV für die Debatte allgemeiner Themen nutzen wollte, während Jakob eher für eine Konzentration der politischen Arbeit auf netzorientierte Themen eintrat. Ich war erklärter Anhänger der zweiten Fraktion. Die Abstimmung ergab eine Mehrheit von nur einer Stimme für Heino – eine Richtungsentscheidung, die ich auch heute noch für unglücklich halte.

Manipulationssichere Wahlen

Nach diese Abstimmung war mir klar, dass kein Wahlleiter die Möglichkeit haben sollte, durch falsche Auszählung – oder auch nur das „versehentliche“ Verlieren einer Mail – das Ergebnis zu manipulieren. Es musste also eine Möglichkeit geben, sowohl die Abgabe der Stimme zu prüfen – kein Problem, indem die Liste der Wahlteilnehmer veröffentlicht wird – als auch die korrekte Zählung der abgegebenen Stimme.

Hierzu wurde dann für die folgenden „geheimen“ Wahlen neben dem Namen des Wählenden auch ein von ihm frei gewähltes Kennwort gefordert, so dass eine Stimmabgabe die Authentifizierung (über den Namen), das Kennwort und die Stimme enthielt. Veröffentlicht wurden dann die Liste der Teilnehmer sowie separat davon die Liste der Kennwörter jeweils mit Stimme sowie das sich daraus ergebende Ergebnis. Eine Manipulation des Ergebnisses war so nicht mehr möglich, ohne dass es den Betroffenen auffiel. Jeder konnte für sich prüfen, ob seine Stimme gezählt wurde und ob seine Stimme richtig ist. Über die verfügbaren Namenslisten war sichergestellt, dass keine zusätzlichen Stimmen eingeschmuggelt wurden. Das Verfahren haben wir für Personenwahlen und ggf. geheime Abstimmungen so beibehalten, wobei wir alle thematischen Abstimmungen öffentlich durchgeführt haben.

KEINE geheimen Wahlen – Wahlmaschinen?

Der Nachteil des Verfahrens liegt natürlich auf der Hand: die Wahl ist nicht wirklich „geheim“. Einerseits hat der Wahlleiter die Möglichkeit, die Stimmen einzusehen – auch wenn die Auszählung später von einem Programm durchgeführt wurde. Gleichzeitig konnte durch Vereinbarung des Kennworts die Abgabe einer Stimme durch Dritte überprüft werden.

An dieser Stelle gab es zwar interne Überlegungen eine „Wahlmaschine“ zu schreiben, in der z. B. vom Wähler Stimme und Kennwort an einen Server, sowie Kennwort und Authentifizierung an einen anderen Server gesendet werden, wobei der eine Server dem anderen den Wahlzettel freigibt. Aber der Aufwand erschien uns den Vorteil für die Nutzung im VOV nicht wert zu sein.

Mit diesem Verfahren würde man zur Zuordnung einer Stimme zu einem Wähler zwar beide Administratoren anstatt nur eines Wahlleiter benötigen, die nachträgliche Kontrollmöglichkeit durch Dritte würde aber verbleiben. Dieses spezielle Problem würde sich nur lösen lassen, wenn man auf die Veröffentlichung der Kontrollliste komplett verzichtete.

Aber…

… im demokratischen Prozess muss das Wahlverfahren für jeden transparent sein. Ein „Vertrauen“ in den Wahldurchführenden DARF nicht vorausgesetzt werden. Die Vorgänge innerhalb einer „Wahlmaschine“ werden für den Durchschnittswähler immer undurchschaubar bleiben. Und die Manipulation von Software wird immer schwerer zu erkennen sein als die Manipulation einer manuellen Auszählung.

Ein Verfahren mit bekannten Schwachstellen ist immer einem Verfahren vorzuziehen, das auf einem „Vertrauen“ beruht, dass schon keine Manipulation stattfinden wird. Dort, wo politische Macht wirklich vergeben wird – zugegebenermaßen nicht im VOV –, MUSS das Verfahren transparent und nachvollziehbar sein – ein Urteil, das 2009 so auch das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Wahlmaschinen und Onlinewahlen bestätigt hat.
Insofern waren alle Personalwahlen, die wir durchgeführt haben, nur insoweit geheim, als der Wahlleiter potentiell Zugang zu den individuellen Stimmabgaben hatte, als auch jeder Abstimmender seine Stimmabgabe anderen gegenüber nachweisen konnte. Andere Online-Verfahren haben aber immer auch andere, meines Erachtens nach schwerwiegendere, Nachteile. Es gibt kein Online-Wahlverfahren, das geheim, nachprüfbar und transparent ist.

Schlussfolgerungen zum Verfahren

Eine Schlussfolgerung dieser Überlegungen für mich war und ist, dass politische Macht durch Wahlzettel in Kabinen vergeben werden sollte. Es gibt kein Online-Wahlverfahren und keine Wahlmaschine, dem man hierbei „trauen“ darf. Der Verlust an Glaubwürdigkeit und das erhöhte Manipulationsrisiko ist die Einsparung an Geld oder Zeit nicht wert.

Eine Ausnahme ist das Hinterlassen einer „vollständigen Papierspur“ bei lokaler Kontrolle des Zugangs zur Maschine – aber wegen der notwendigen Kontrollzählungen ist es deutlich günstiger, gleich auf diese Maschinen zu verzichten.

Heute

Durch die Verbreitung von Handykameras ist mittlerweile Stimmenkauf zu einer lösbaren logistischen Aufgabe geworden. Auch dem sollte die Politik vorbeugen, indem Handys grundsätzlich aus Wahlkabinen verbannt und Briefwahlen untersagt werden. Der Vorteil einer erhöhten Beteiligung durch Briefwahl wird gegenüber den wachsenden Manipulationsmöglichkeiten an Wert verlieren – eine Beobachtung der Wahlergebnisse der Briefwahlen durch statistische Methoden erscheint bereits heute geboten.

Missbrauch von Abstimmungen

Ein Ziel des VOV war, jeden Teilnehmer am politischen Prozess zu beteiligen. Hierzu standen Abstimmungen jedem Mitglied offen. Dies führte leider dazu, dass Themen zur Abstimmung gestellt wurden, die inhaltlich schädlich für den VOV waren (auch wenn sie kaum Chancen auf Zustimmung hatten). Als Beispiel sei insbesondere ein recht heftiger Angriff auf unsere Schirmherrin Herta Däubler-Gmelin wegen ihrer Tätigkeit als Justizministerin angeführt. Ich hatte in diesem Fall ernsthaft überlegt, die entsprechende Abstimmung einfach aus Verantwortung des Amtes abzulehnen und ggf. über meine Ablehnung (und Position als Wahlleiter) abstimmen zu lassen, statt über das ursprüngliche Thema. Da „man“ – insbesondere der Autor der Abstimmung – dem VOV-Vorstand damals u. a. vorwarf, „Andersdenkende“ durch Regularien auszubooten, habe ich mich gegen meine Idee entschieden und die Abstimmung – mit dem zu erwartenden Ergebnis – durchgeführt.

Rückblickend betrachtet wäre ein wenig mehr politische Arbeit an vielen Stellen – auch bei der Wahlleitung – dem Gesamtprojekt VOV dienlich gewesen. Mein Verständnis des Amtes als rein organisatorische Dienstleitung stand dem hier entgegen.