Dr. Boris `pi´Piwinger (1997): Frequently Asked Questions zum Virtuellen Ortsverein der SPD (VOV)

1)  Wer sind wir?

Der Arbeitskreis Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Internet – so der offizielle Name des Virtuellen Ortsvereins der SPD (VOV) – ist ein Zusammenschluss von Netzteilnehmern, die der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) angehoeren oder ihr nahestehen. Der VOV ist als Arbeitskreis vom Parteivorstand anerkannt.

Gegruendet wurde der VOV auf Anregung und mit intensiver Beteiligung des SPD-Bundestagsabgeordneten Joerg Tauss.

Anders als richtige Ortsvereine definieren wir uns jedoch nicht als regionale Einheit der SPD, sondern bedingt durch unser Medium – das weltumspannende Computernetz Internet (und angeschlossene andere Computernetze) – als Gruppe, die dieses neue Medium zu einer neuen Form der politischen Arbeit nutzen moechte.

Im VOV versammeln sich:
+  Genossinnen und Genossen, die diese neue Arbeitsform neben ihrer traditionellen Parteiarbeit weiterentwickeln wollen
+  Genossinnen und Genossen aus der ganzen Welt, die in der SPD mitarbeiten moechten, jedoch durch die traditionellen Formen der politischen Willensbildung nicht angesprochen werden
+  Nicht-SPD-Mitglieder, die sich mit den Zielen der SPD und des VOV identifizieren koennen

2)  Was wollen wir?

Unsere besondere politische Aufmerksamkeit gilt der Entwicklung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, ihren sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sowie ihren Konsequenzen auf die parteiinterne Willensbildung.

Wir wollen selbst virtuelle Organisations- und neue elektronische Kommunikationsformen entwickeln und erproben.

3)  Wo sind wir?

Die Mitglieder des VOV kommunizieren ueber automatische Mailverteiler miteinander. Diskussionen ueber aktuelle politische Themen fuehren die Mitglieder des VOV neben den Mailinglisten hauptsaechlich in der Newsgroup de.org.politik.spd (dops), aber auch in de.soc.politik, de.soc.netzwesen, de.soc.recht.misc, de.soc.zensur, …

Weitere Informationen, sowie offizielle Statements des VOV zu relevanten Themen finden sich im WWW unter http://vov.de/. Allgemeine Informationen zur SPD finden sich unter http://www.spd.de/.

4)  Wie arbeiten wir?

Nach guter demokratischer Gepflogenheit stellen die VOV-Mitglieder ihre Gedanken und Ideen im Netz zur Diskussion. Handelt es sich um den Entwurf eines Antrages, wird der moegliche Antragstext als Diskussionsaufruf (RfD =3D Request for Discussion) verschickt. Ueber den Antrag wird danach abgestimmt — elektronisch natuerlich. Der Wahlleiter verschickt im Auftrag des Antragstellers einen Wahlaufruf (CfV =3D Call for Votes) unter Angabe des Abstimmungstextes, moeglicher Antworten und des Abstimmungszeitraumes. Jedes VOV-Mitglied kann dann durch eine Mail an den Abstimmungsaccount waehlen; das Ergebnis wird ueber den Mailverteiler bekannt gegeben und ggf. in den Newsgroups und im WWW oeffentlich gemacht.

Der Vorstand des VOV setzt sich aus dem Vorsitzenden und Verantwortlichen fuer spezielle Aufgaben zusammen:
+  Vorsitzender: Heino Prinz <vov-v…@nord.de>
+  Postmaster (Verwaltung der Mailing-Listen des VOV und Ansprechpartner bei eMail-Problemen): Ulrich Kortenkamp <vov-pos…@nord.de>
+  Pressesprecher (Darstellung des VOV in der und Kontakte zur Presse): Arne Brand <vov-p…@nord.de>
+  Schriftfuehrer (Mitglieder- und Waehlerverzeichnis, Versand der Anmeldeunterlagen, Mitgliederstatistik): Hartmut Hambach <vov-schri…@nord.de>
+  Usenet-Betreuer (Koordination der Aktionen im Usenet, FAQ): Boris ‚pi‘ Piwinger <vov-u…@nord.de>
+  Verbindungsperson Bonn (Koordination mit und Kontakt zu Partei-
vorstand, Bundestagsfraktion und anderen Bonner Institutionen): Joerg Tauss und Boris ‚pi‘ Piwinger <vov-p…@nord.de>
+  Wahlleiter (ordnungsgemaesse Durchfuehrung von Wahlen und Abstimmungen): Axel Schudak <vov-wah…@nord.de>
+  WWW-Betreuer (Redaktion der VOV-Seiten): Alexander Stirn <vov…@nord.de>

Der Vorstand wird durch einige Projektleiter unterstuetzt:
+  Beitragstabelle der SPD: Thomas Schild
+  Computer in die Schulen: Christine Knieriemen
+  Informationsstaende: Arne Brand <vov-inf…@nord.de>
+  Parteireform/Mitgliederentwicklung: Boris von der Linde
+  Reduzierung des Wahlalters: Olaf Abdinghoff
+  Sozialabbau — Bekaempfung der Arbeitslosigkeit: Karl-Friedrich Probst
+  Vernetzung der SPD: Dirk Bachhausen

Als Schirmherrin konnten wir Herta Daeubler-Gmelin gewinnen.

5)  Wer ist dabei?

Die Mitglieder des VOV sind Menschen aus der ganzen Welt. Viele sind darueber hinaus Mitglieder der SPD und einige davon arbeiten auch in regionalen oder ueberregionalen Gremien der Partei mit.

Der VOV hat derzeit mehr als 500 Mitglieder, wovon leider nur ca. 6% weiblich sind. Ein gutes Viertel der Mitglieder ist unter 30 Jahre alt, gute 30% sind ueber 40. Etwa 85% der VOV-Mitglieder geben an, in der SPD zu sein, davon ueber 70% seit mehr als fuenf Jahren.

Mitglieder des VOV, die dies ausdruecklich wuenschen, werden in eine VOV-oeffentliche Mitgliederliste aufgenommen. Zusaetzlich gibt es eine Liste von Mitglieder-Homepages auf dem VOV-Server.

6)  Wer kann Mitglied werden?

Jeder, der ueber eine international erreichbare eMail-Adresse <name@domain> verfuegt und der sich zu den Grundwerten und Grundsaetzen der SPD bekennt.

7)  Wie werde ich Mitglied im VOV?

+  Wer in den VOV eintreten will, fuellt einfach das Anmeldeformular auf dem VOV-Server (http://vov.de/anmeldung/) aus und klickt auf „Ja, ich will!“ Danach das ausgefuellte Formular noch ausdrucken, unterschreiben und ab damit zur Post. Leute ohne WWW-Zugang schreiben einfach eine Mail an <vov…@nord.de>; von diesem bekommt man das Anmeldeformular, das man dann per eMail und auf Papier (also insgesamt zweimal!) zurueckschickt. Ein kurzes Selbstportrait in einer Mail an <v…@nord.de> hilft beim Kennenlernen, ist aber keine Pflicht.

+  Man tritt aus dem VOV aus, indem man eine Mail an <vov…@nord.de> schickt, aus der der Austrittswunsch deutlich hervorgeht. Abbestellen der Mailingliste alleine bedeutet noch keinen Austritt!

+  Aenderungen der eMail-Adresse koennen selbst durchgefuehrt werden, Informationen dazu erhaelt man bei der Anmeldung oder bei <vov…@nord.de>.

+  Falls man eine eigene Homepage hat, kann diese jederzeit in die Liste der VOV-Mitglieder auf dem WWW eingetragen werden. Hierzu reicht eine kurze Mail an <vov…@nord.de>.

8)  Womit befassen wir uns?

(Die Reihenfolge der Themen ist historisch gewachsen und stellt keine Wertung dar.)

+ Wie kann „Zensur“ verhindert und Meinungsfreiheit in Computernetzen sichergestellt werden?
+ Datenschutz und Datensicherheit in Computernetzen
+ Informationsgrundversorgung, freier Zugang zu Computernetzen
+ Offizielle Verlautbarungen zum Thema „Informationsgesellschaft“ von SPD-Gliederungen und Politikern
+ Wie bringt man Netz- und Parteikultur auf einen gemeinsamen Nenner? Vernetzung der Partei
+ Telekommunikationsgesetz (TKG)
+ Informations- und Kommunikationsdienstegesetz des Bundes (IuKDG)
+ Computer und Schulen
+ Der Umgang mit der PDS, Ost-West-Diskussionen
+ Arbeiterlieder
+ Politik im Nahen Osten
+ Aktuelle Diskussionen von Wahlergebnissen
+ Vorbereitung des rechtspolitischen Kongresses April 97 in Mainz
+ Frauen im VOV/Internet
+ Zahlreiche allgemeine politische Themen

9)  Credits

Der Text dieses FAQs stammt urspruenglich von Christoph Wick. Weiterhin waren Jens Hoffmann, Thomas Roessler, Andreas Kroepelin, Andreas Plaeschke, Ralf Parr, Michael Doerrschuck, Bernhard C. Witt, Axel Schudak, Heino Prinz, Michael Singer, Ulrich Kortenkamp, Arne Brand, Attila Radnai, Karl Peter Ohly, Alexander Stirn und Hartmut Hambach beteiligt.

Momentan wird das FAQ von Boris Piwinger <vov-u…@nord.de> gepflegt.

Boris Piwinger
Mitglied im Vorstand des Virtuellen Ortsvereins der SPD (VOV)
(Usenet und Repraesentanz in Bonn)
http://vov.de/

Maritta Strasser (2012): Frisch gewagt ist fast gewonnen: Abenteuer virtueller Ortsverein

maritta strasser 2012
Maritta Strasser 2012 © privat

Man könnte es für eine Idee der Piraten halten, und für eine neue Idee: Parteiarbeit im Netz. Jede Parteigliederung bekommt zusätzlich zur vorhandenen Struktur einen virtuellen Versammlungsraum, dort wird diskutiert, werden Ideen entwickelt, Beschlüsse gefasst. Ganz genau so, als würde man sich in einem Raum gegenüber sitzen. Das ist der Vorschlag von Olaf Scholz für den Landesparteitag der SPD am morgigen Samstag. Es leuchtet ein, dass das digitale Parteiarbeit ungeheuer praktisch ist. Und viele hoffen, dass sie die SPD attraktiver macht. Ist diese Hoffnung berechtigt?

Die Idee eines virtuellen Ortsvereins ist tatsächlich bald 20 Jahre alt. Zu einer Zeit, als ich noch kein Mobiltelefon besaß und Helmut Kohl Kanzler war, 1995, wurde ich Mitglied und wenig später Vorsitzende des Virtuellen Ortsvereins der SPD (VOV). Mitglieder des VOV halfen dem Parteivorstand bei der Erstellung des ersten Internetauftritts, sie übernahmen die erste Online-Berichterstattung von Parteitagen. Diskutiert und gewählt wurde über Mailinglisten.

Es stellte sich sehr bald heraus, dass das Internet eben nicht nur Medium, sondern auch liebstes Thema des VOV war. Es ging um Urheberrecht und Kopierschutz, um Überwachung, die Verfolgung von Straftätern und Datenschutz, um Informationsfreiheit, Online-Wahlen, direkte Demokratie und um Sicherheitsrisiken durch unüberlegte Nutzung der Technik, wie zum Beispiel Spam und Viren.

Teilweise wurden über die Listen auch Dinge diskutiert, die mit dem Internet nichts zu tun haben. Aber diese Diskussionen hatten stets weniger Interessenten und kamen seltener zu Ergebnissen wie konkreten Beschlüssen und Pressemitteilungen, als die netzpolitischen Initiativen. Es gab darüber hinaus auch wenig Geduld im Umgang miteinander, was die unterschiedlichen Interessensphären der Mitglieder betraf. Die „Technik-Nerds“ gaben den unbedarften Neumitgliedern ohne großes technisches Vorwissen ordentlich Saures, wenn diese die verpönten html-Mails verschickten anstatt das Textformat der reinen Lehre zu verwenden. Diskussionen über soziale Themen wurden von ihnen als „langweiliges Gelaber“ abgetan, was von der anderen Seite den nicht ganz unberechtigten Vorwurf einbrachte, die Leute verhielten sich elitär und bedienten sich einer kryptischen Sprache.

Überhaupt: Konfliktverhalten via E-Mail – ein Thema für Diplomarbeiten. Was es genau ist, das bei manchen Menschen offenbar jede Hemmung vor Kraftausdrücken und Verletzendem außer Kraft setzt, sobald man sich via Bildschirm und Tastatur austauscht anstatt von Angesicht zu Angesicht – ich wüsste es gern. Witziger Weise sind dieselben, meist männlichen Mitglieder, die eben noch als verbale Berserker die Mailinglisten aufgemischt haben, oft ganz umgänglich wenn man sie beim Bier trifft (Club Mate gab es damals auch noch nicht).

An mich als Vorsitzende wurde oft die Bitte herangetragen, zu moderieren. Mir stand neben der Warnung nur das ganz scharfe Schwert zur Verfügung, den Übeltäter eine Zeit lang das Recht zu entziehen, Mails auf unsere Listen zu schicken. Aber bis wir diese Möglichkeit, gelbe und rote Karten zu verteilen in unserer Satzung verankert hatten, wurden viele Kilobyte anstrengender Diskussionen versendet, und so manches Neumitglied wandte sich mit Grausen ab.

Ich möchte die Delegierten des Hamburger Parteitags ermutigen, das Experiment erneut zu wagen. Es hat damals Leute zur SPD gebracht, die sonst nicht den Weg zu ihr gefunden hätten und wird dies sicher heute wieder tun.

Aber ich möchte Euch einige Tipps mitgeben. Gebt Euren virtuellen Ortsvereinen eine durchsetzungsfähige Moderation mit, damit das Diskussionsklima für alle angenehm bleibt. Erlaubt eine Vielfalt an Themen und Interessen und macht es zugleich möglich, dass die Mitglieder Diskussionen, die sie nicht interessieren auch ignorieren können. Macht Euch Gedanken über eine möglichst flexible und ausbaufähige Technik, mit der alle möglichen Informationskanäle und Medien zusammengefasst werden: Blogs und Termine, Kommentare und Bilder, Tweets und andere Social Media Inhalte.

Die wichtigste Schnittstelle ist aber nicht die zwischen unterschiedlichen digitalen Medien, sondern die zwischen den virtuellen und den normalen Parteigliederungen. Der erste virtuelle Ortsverein ist genau daran letztlich gescheitert: Die Mitglieder hatten das Gefühl, dass ihre Arbeit nicht in der Partei ankam. Wenn die virtuellen Gliederungen bloß unverbindlich diskutieren dürfen, und ohne Einfluß auf Entscheidungen bleiben, dann wird sich sehr schnell Frust breit machen.

Ich habe unsere Domain www.vov.de dem Parteivorstand der SPD übertragen in der Hoffnung, dass bald ein neues Projekt auf dieser Domain entsteht. Frisch voran, Hamburg! Ich würde mich wirklich sehr freuen.

Maritta Strasser ist Kommunikationsexpertin mit langjähriger Erfahrung unter anderem als Pressesprecherin des Bundesministeriums für Justiz, beim Zentralrat der Juden in Deutschland sowie für den Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) e.V., als Mitarbeiterin beim Deutschen Bundestag und als Beraterin in einer namhaften Berliner PR-Agentur und als Leiterin der Abteilung Kommunikation im Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin-Buch (MDC). 2012 war sie Fraktionsgeschäftsführerin einer Landtagsfraktion.